nd-aktuell.de / 05.12.2024 / Politik / Seite 1

Angela Merkel: Die letzte Zeugin

Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt vor dem Afghanistan-Untersuchungsausschuss aus

Cyrus Salimi-Asl
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt als Zeugin an der öffentlichen Sitzung des Afghanistan-Untersuchungsausschusses des Bundestags teil; links neben ihr Auschussvorsitzender Ralf Stegner (SPD).
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt als Zeugin an der öffentlichen Sitzung des Afghanistan-Untersuchungsausschusses des Bundestags teil; links neben ihr Auschussvorsitzender Ralf Stegner (SPD).

Angela Merkel musste als Letzte ran und legte am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss ihre Sicht auf den unrühmlichen Abgang Deutschlands aus Afghanistan dar. Nach ihrer Einschätzung lief der Bundeswehrabzug gut: »Der Zeitplan wurde eingehalten. Ich war darüber sehr erleichtert.« Die deutsche Beteiligung am Krieg hielt sie rückblickend für richtig[1].

Merkel und dem ehemaligen Kanzleramtschef Helge Braun, der zuvor aussagte, kommt besonderes Gewicht als Zeugen zu, denn das Kanzleramt hat die Fachaufsicht über den Bundesnachrichtendienst (BND). Und dem BND wurde von den Spitzenpolitikern ein Großteil der Schuld zugeschoben[2] für den überstürzten und chaotischen Abzug. Der BND habe die Lage nicht korrekt eingeschätzt, hieß es, die Machtübernahme der Taliban nicht vorhergesehen. Andere Zeugen gestanden den BND-Informationen jedoch Verlässlichkeit zu.

Zudem gab es sowohl in den Medien als auch in BND-Berichten Hinweise auf eine sich verschärfende Sicherheitslage, selbst eine Rückkehr der Taliban[3] wurde nicht ausgeschlossen. Dazu Ex-Kanzleramtschef Helge Braun: Man hätte sich damals wohl vorbereiten sollen auf das vom BND für unwahrscheinlich erachtete Szenario einer raschen Machtübernahme durch die Taliban. Grünen-Politikerin Canan Bayram wies Braun darauf hin, dass dieses intern »Emirat 2.0« genannte Szenario in einer Staatssekretärsrunde bereits im November 2020 als wahrscheinlich angesehen wurde.

Offenbar wurde diese Möglichkeit bei Entscheidungen nicht ausreichend gewürdigt. Dazu kam mangelhaftes Interesse an den Vorgängen[4] in Afghanistan, im Einzelfall sogar Arroganz. So habe man beim Auftreten von Ex-Außenminister Heiko Maas spüren können, dass er die Befragung als lästig empfunden habe. Sara Nanni (Grüne), Obfrau im Untersuchungsauschuss, habe noch nie einen solchen Zeugen erlebt, »der die Haltung ausgestrahlt hat, dass er jetzt bitte damit nicht weiter belästigt werden möchte, dass er keine Lust auf diese Befragung hat und die Fragen übergriffig findet.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186818.afghanistan-nicht-viel-gelernt-aus-dem-afghanistan-einsatz.html?sstr=afghanistan
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187164.afghanistan-abzug-keine-lust-auf-selbstkritik.html?sstr=afghanistan
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185024.afghanistan-afghanistan-abschiebungen-in-die-menschenrechtshoelle.html?sstr=afghanistan
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187341.kommentar-afghanistan-desinteresse-und-unwille.html?sstr=afghanistan