Es ist fast genau ein Jahr nach der Amtseinführung des rechts-libertären argentinischen Präsidenten Javier Milei und kurz bevor Argentinien den Vorsitz des südamerikanischen Mercosur übernimmt und der Wirtschaftsbund sich mit der EU-Kommission auf ein Freihandelsabkommen einigt. Milei trifft sich mit Anhänger*innen von Donald Trump und anderen Vertreter*innen der internationalen Rechten bei der Conservative Political Action Conference (CPAC)[1] in Buenos Aires. Sie feiern radikale Sozialkürzungen und autoritäre Sicherheitsdekrete der argentinischen Regierung, beschwören den Kulturkampf von rechts und stärken ihre internationalen Allianzen – auch gegen die Uno.
Rund 1000 Gäste sind ins Hilton-Hotel im Nobelbezirk Puerto Madero der argentinischen Hauptstadt gekommen. Zuerst wird die argentinische, dann die US-amerikanische Nationalhymne gespielt. Mit »Viva Argentina! Viva USA! Viva Israel! Viva Lateinamerika!«, begrüßt die Gastgeberin Mercedes Schlapp die Gäste. »Wer ist zum ersten Mal bei einer CPAC?«, fragt ihr Mann Matt Schlapp, der Präsident der konservativen Konferenz, in den Saal. Die meisten Hände recken sich nach oben. Kein Wunder, denn im Publikum sitzen viele sehr junge Argentinier und – etwas weniger – Argentinierinnen. Die Männer recht gleichförmig aussehend mit blauen Anzügen und Undercut, die Frauen meist sehr schick gekleidet. Sie sind stramm auf Mileis rechts-libertärem Kurs, aber noch frisch in der Politik, beginnen sich auch international zu vernetzen, bei dieser Konferenz, der ersten CPAC, die in Argentinien stattfindet.
Gegründet wurde die CPAC 1973 von Gruppen wie der American Conservative Union und den Young Americans for Freedom in den USA als Ort für Begegnung und Austausch gleichgesinnter Konservativer. Seit 1974 traf sich die politische Konferenz einmal jährlich in den USA, der frühere US-Präsident Ronald Reagan gehörte zu den häufigsten Rednern. Seit 2017 finden die Zusammenkünfte auch außerhalb der USA statt, in Australien, Japan, Ungarn, und zuletzt mehrmals pro Jahr. 2024 tagte die CPAC bereits fünf Mal: im Februar in Washington, im April in Ungarn, im Juli in Brasilien, im August in Mexiko – und nun zum ersten Mal in Argentinien.
»Der Wert der CPAC besteht darin, unsere Ideen, unseren Geist, unsere Orientierung und unsere Visionen zu bewahren«, sagt der argentinische Präsident Javier Milei während seiner einstündigen Rede vor vollem Saal. Er, der sich selbst als Anarchokapitalist und »Maulwurf« bezeichnet, der den Staat von innen zerstören und die »politische Kaste« mit der Kettensäge zerlegen will, und der frühere und zukünftige US-Präsident Donald Trump mit seiner Anti-Establishment-Rhetorik sehen sich als Alliierte auf dem Weg in eine neue Zeit, als Verbündete in einem Kulturkampf von rechts und im Kampf um den Abbau staatlicher Strukturen. »Wir sind die Avantgarde«, sagt Milei, er spricht von einem historischen Moment und beschwört eine »rechte Internationale« der gegenseitigen Unterstützung.
Auch der mexikanische Rechtsaußen-Politiker Eduardo Verástegui und einige lateinamerikanische Vertreter*innen aus Chile, Peru, Bolivien sind als Sprecher*innen geladen, ebenso wie Santiago Abascal von der spanischen Vox-Partei und einige ungarische Funktionär*innen. Am stärksten repräsentiert sind allerdings Mitglieder der aktuellen argentinischen Regierung; jung, dynamisch, politisch stramm auf rechts-libertärem Wirtschaftskurs. Der brasilianische Eduardo Bolsonaro, Sohn des Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, rückt Brasilien unter Präsident Lula in die Nähe Venezuelas, bezeichnet es unverhohlen als »einer Diktatur immer ähnlicher«, und startet quasi eine eigene Kampagne, indem er fordert, Argentinien sollte denjenigen Brasilianer*innen Asyl gewähren, gegen die in Brasilien wegen der Verfahren zur Erstürmung des Regierungspalastes im Januar 2023 ermittelt wird.
Donald Trump selbst ist nicht zur CPAC nach Argentinien angereist, aber seine Schwiegertochter und Wahlkampfmanagerin Lara Trump, die Ko-Vorsitzende des Republican National Committee. »Wir stehen an einem Wendepunkt«, sagt sie. Argentinien und die USA seien bereit, »in den nächsten Jahrzehnten in ihrem Kampf für Freiheit zusammenzustehen und gemeinsame Politik zu machen«, und wenn »Argentinien wächst, werden auch die USA wachsen«. Auf diesem Weg gibt es zwei große Ziele: einerseits den wirtschaftlichen Umbau, die Stärkung des freien Marktes beziehungsweise das Zusammenschrumpfen des Staates und andererseits den Kulturkampf mit Gott, Vaterland und ökonomischer Freiheit – gegen demokratische, feministische, inklusive Ideen und Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit.
Längst hat Argentinien die Ministerien für Soziales, Frauen, Umwelt, Bildung aufgelöst und die Finanzierung von Sozialprogrammen[2] eingestellt. Der argentinische Wirtschaftsminister Luis Caputo spricht auf der CPAC über makroökonomische Erfolge, über den ausgeglichenen Staatshaushalt, die im Vergleich zu den Vorjahren abgeschwächte Inflation – und erntet tosenden Applaus. Von der stagnierenden Wirtschaft, den Reallohnverlusten und der zunehmenden Verarmung der Bevölkerung spricht er nicht. In den USA steht ein Umbau staatlicher Strukturen nach den Richtlinien des von der Heritage Foundation für Trump entworfenen »Project 2025« noch bevor. In Lara Trumps Rede ist Elon Musk, der Twitter aufgekauft und nach ihren Worten zu einer »Plattform für freie Rede« gemacht hat und nun Berater der Trump-Regierung für Regierungseffizienz werden soll, das Maß der Dinge und trotz physischer Abwesenheit bei der Konferenz anscheinend omnipräsent.
»Wir sind nicht radikal, wir sind Patrioten, die unsere Nationen retten«, so Lara Trump. Wovor? Vor Kommunismus, Sozialismus, Globalismus, Wokismus, Feminismus – gemeint ist links-progressive, demokratische, menschenrechtsorientierte Politik. Im Publikum erntet Lara Trump damit Zustimmung. Besonders aufbrausend scheint der Applaus zu sein, wenn es um ein Verbot von Abtreibung, Einschränkungen von LGBTIQ-Rechten und Sexualkunde in der Schule geht.
Im Foyer des Hilton werden derweil Flugblätter gegen das Recht auf Abtreibung von der rechten Kampagnenplattform Citizen Go verteilt, die Gelder über den russischen Oligarchen Konstantin Malofejew bezogen hat. Der einzige Bücherstand bei der Konferenz ist organisiert von der Fundación Faro (Stiftung Leuchtturm), die Milei und dessen Partei La Libertad Avanza nahesteht. Dort werden Bücher des Verlags Hojas del Sur verkauft und auch eines namens »Wir Liberale sind fortschrittlich«, das der rechts-libertäre Thinktank Federalismo y Libertad zusammen mit der Friedrich-Naumann-Stiftung herausgegeben hat.
Ein Direktoriumsmitglied der Fundación Faro, Agustin Laje, sowie der argentinische Sekretär für Glauben und Zivilisation, Nahuel Sotelo, und Javier Milei selbst machen international Front gegen die Agenda 2030 zur Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und Umweltzerstörung, den UN-Zukunftspakt und andere internationale Abkommen sowie gegen die Uno als solche und weitere internationale Institutionen. Hinter nachhaltigen Entwicklungszielen stünden teilweise verkappte Maßnahmen im Kulturkampf von links-feministischer Seite – und seien daher abzulehnen, so die mehrfach vorgebrachte Argumentation: bei der CPAC am 4. Dezember, bei der Tagung des Political Network for Values am 2. Dezember in Madrid und anderen Anlässen. In diesem Sinne stimmte Argentinien im November als einziges Land bei der Uno und dem G20-Gipfel gegen eine Erklärung zur Geschlechtergleichstellung. Und bei einem Besuch der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Argentinien[3] erklärten sie und Milei, eine Liga konservativer Nationen gegen Tyrannei und Elend aufbauen zu wollen – als eine Art Gegengewicht oder Parallelstruktur gegen die Agenda 2030 und die Uno.