Der Fachkräftemangel in Berlin hält an, auch während wirtschaftlicher Schwierigkeiten durch Preissteigerungen und Engpässe. 40 Prozent der entsprechenden Stellen blieben 2023 unbesetzt, 39 Prozent der Betriebe suchten nach qualifizierten Arbeitskräften[1]. Zugleich bilden nur 18 Prozent der Berliner Betriebe Nachwuchskräfte aus, 38 Prozent der Betriebe haben eine Ausbildungsberechtigung – beide Werte liegen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Das sind die Ergebnisse des »Betriebspanels 2023«, einer jährlichen repräsentativen Befragung von Arbeitgeber*innen.
»Wir haben in Berlin eine Ausbildungsplatzlücke«, so Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) am Montagmorgen bei der Vorstellung des Betriebspanels. Denn trotz offener Ausbildungsplätze[2] und des hohen Fachkräftebedarfs der Betriebe gebe es auch viele junge Berliner*innen, die keinen Ausbildungsplatz finden. »Wir müssen die Ausbildungsangebote bekannter machen, aber die Betriebe müssen sich auch bewegen«, sagt Kiziltepe. Es brauche mehr Ausbildungsplätze in Berlin, auch um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern. Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit übersteigt die Anzahl an Bewerber*innen die der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze in der Hauptstadt.
Wenn die geforderte Bewegung der Berliner Betriebe ausbleibt, will das Land eine Ausbildungsplatzumlage einführen[3] – Betriebe, die nicht ausbilden, hätten davon finanzielle Nachteile. »Anfang 2026 wird sich entscheiden, ob das Ziel des Bündnisses für Ausbildung erreicht wurde, 2000 zusätzliche Ausbildungsplätze zu besetzen«, sagt Kiziltepe. Unterdessen will das Land über ein Ausbildungsprogramm Angebot und Nachfrage zusammenbringen, also Bewerber*innen an Ausbildungsbetriebe vermitteln.
Neben einer Erhöhung der Bemühungen der Betriebe, Fachkräfte selbst auszubilden, soll auch die Integration ausländischer Fachkräfte in den Berliner Arbeitsmarkt verbessert werden. Dabei kommen vor allem Ukrainer*innen, die durch den russischen Angriffskrieg zur Flucht nach Deutschland gezwungen wurden, infrage. Beim Betriebspanel gaben elf Prozent der Unternehmen an, dass sie Bewerbungen auf offene Stellen oder Anfragen für eine Beschäftigung durch ukrainische Geflüchtete erhalten hatten. Jedes dritte dieser Gesuche war erfolgreich und führte zu einem Beschäftigungsverhältnis.
Diese Daten zeigten eine positive Entwicklung, sagt Kiziltepe. »Es gibt mehr Offenheit für Menschen, die hier neu einwandern.« So würden auch die im internationalen Vergleich sehr hohen Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse für Bewerber*innen gesenkt. Laut Bundesagentur für Arbeit seien im September dieses Jahres 19 300 Ukrainer*innen beschäftigt gewesen, davon 16 900 sozialversicherungspflichtig und 2400 geringfügig. »Das ist ein Anstieg zum Vorjahreszeitraum um fast ein Viertel, um 24,2 Prozent«, sagt die Arbeitssenatorin.
Schließlich ist auch die in Berlin vergleichsweise geringe Tarifbindung ein Thema für die Arbeitssenatorin. In der Hauptstadt zahlen nur 13 Prozent der Betriebe verbindlich nach Tarif, davon elf Prozent gemäß Branchentarifvertrag und zwei Prozent gemäß Haustarifvertrag. Unter den Berliner Beschäftigten werden 45 Prozent nach Tarifvertrag bezahlt. Deutschlandweit sind 24 Prozent der Unternehmen und 49 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden. »Die Tarifbindung in Berlin sinkt«, sagt Silke Kriwoluzky vom Institut für sozialökonomische Strukturanalysen, das die Ergebnisse der Betriebsbefragung ausgewertet hat. 2015 hatten noch 20 Prozent der Berliner Betriebe ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlt.
Die Tarifbindung in Berlin zu erhöhen, ist auch ein Ziel der Arbeitssenatorin, zur Verbesserung der »sozialen Gerechtigkeit der Beschäftigten«, und weil es die Attraktivität von Arbeitsplätzen für Fachkräfte steigere. »Auch hier in Berlin sollen Maßnahmen zur schrittweisen Ausweitung der Tarifabdeckung erstellt werden.«
Um den Fachkräftemangel zu beheben, arbeitet die Arbeitsverwaltung an einer Berliner Fachkräftestrategie. Diese soll laut Kiziltepe bis zum Ende des kommenden Jahres fertiggestellt werden und als ein »Dach« für die verschiedenen Strategien der einzelnen Senatsverwaltungen funktionieren.