nd-aktuell.de / 10.12.2024 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 1

Lebensmittelpreise: Goldene Gans im Supermarkt

Vor den Feiertagen steigen die Lebensmittelpreise. Die NGO Oxfam Deutschland fordert strengere Regeln im Handel

Sarah Yolanda Koss
Festtagsessen im Einkaufswagen: Die Preise steigen aktuell wieder an.
Festtagsessen im Einkaufswagen: Die Preise steigen aktuell wieder an.

Anfang Dezember meldete sich die Hilfsorganisation Tafel Deutschland mit einer – eigentlich – frohen Botschaft: Dieses Jahr würden sich 13 000 Menschen mehr engagieren als 2023. Trotzdem benötige ein Drittel der Tafeln mehr Freiwillige, da der Andrang so zugenommen habe.

Die Tafel Deutschland versorgt um die zwei Millionen Menschen mit geringem Einkommen mit Lebensmitteln[1], die anderenfalls entsorgt würden. Die ehrenamtliche Hilfe soll eine zusätzliche Unterstützungsleistung sein. Die Gründe für den Andrang sieht die Tafel in der Corona-Pandemie, dem Krieg in der Ukraine sowie der Inflation. Die NGO Oxfam verortet den Hintergrund der aktuellen Preisentwicklung dagegen in der Profitorientierung der Supermarktketten.

Seit 2020 stiegen die Lebensmittelpreise laut am Dienstag veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamts (Statista) um 34 Prozent. Bei Käse oder Teigwaren lag der Preisanstieg im Vergleich zu 2020 bei fast 50 Prozent, Butter ist im Herbst 2024 sogar 60 Prozent teurer als vier Jahre zuvor. Die durchschnittlichen Vollzeitgehälter stiegen im gleichen Zeitraum um 17 Prozent.

Oxfam nimmt an: Die Konzerne nutzen die allgemeine Inflation, um ihre Preise zu erhöhen. Dafür spreche auch, dass die Preise der Lebensmittel regelmäßig über jenen der Gesamtinflation liegen. Zwar machen die Supermarktketten nicht öffentlich, wie sich ihre Preise zusammensetzen. Die Preise ihrer Eigenmarkenprodukte steigen jedoch, so berechnete das Handelsblatt, fast doppelt so stark wie die der anderen Markenprodukte.

Die Supermarktketten Edeka, die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland sowie Rewe und Aldi teilen sich mittlerweile 87 Prozent des gesamten Markts und haben einen dementsprechend hohen Einfluss auf die Preisentwicklung. Verlierer dieser Entwicklung seien, so schreibt es Oxfam »unter anderem Bäuer*innen, die abhängig von den Supermärkten als Abnehmer ihrer Produkte sind und daher jeden Preis, den die Supermärkte zu zahlen bereit sind, akzeptieren«.

Supermärkte verschärfen Ungleichheit

Unter den Konsument*innen treffen die Preisanstiege jene mit geringem Einkommen am stärksten, wie Statista-Daten zeigen. Einerseits, da sie einen größeren Anteil ihres Gesamteinkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Andererseits, weil die billigeren Eigenmarken alleine in den vergangenen zwei Jahren einen Preisanstieg von 25 Prozent verzeichneten.

Laut einer im Rahmen des jährlichen Ernährungsberichts vorgestellten Studie [2]waren 22,4 Prozent der befragten armutsbetroffenen Haushalte bereits 2022 und 2023 von moderater oder starker Ernährungsunsicherheit betroffen. Sie hatten demnach einen eingeschränkten Zugang zu ausreichenden, sicheren und nahrhaften Lebensmitteln.

»Die Preispolitik der Supermärkte verschärft die Ungleichheit im Land«, schlussfolgert Steffen Vogel von Oxfam Deutschland. Er fordert deswegen eine Untersuchung der Supermärkte durch das Bundeskartellamt, die Einführung einer Preisbeobachtungsstelle und strengere Regeln zu Handelspraktiken. Die Gruppe Die Linke im Bundestag fordert indes, die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel abzuschaffen.[3] Die allgemeine Teuerungsrate stieg im November zum zweiten Mal in Folge an, Volkswirte erwarten laut dpa eine Inflation über die Zwei-Prozent-Marke bis ins neue Jahr hinein.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185984.ernaehrungsarmut-ernaehrungsarmut-hunger-schafft-profite.html?sstr=Tafel
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186922.ernaehrungsarmut-wenn-gesundes-essen-zu-teuer-ist.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187418.bundestagswahl-linke-gibt-sich-im-wahlkampf-dezidiert-sozialpolitisches-programm.html?sstr=Wolfgang|Hübner