Die Wohlfahrtsverbände sind mit dem Koalitionsvertrag der SPD mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) keineswegs uneingeschränkt zufrieden. Obwohl viele wesentliche Anliegen darin angesprochen werden, sei es in erster Linie die durchgehaltene Unbestimmtheit, die hier federführend sei. Das sagte am Montag Andreas Kaczynski, Landesvorsitzender der Liga der Freien Wohlfahrtspflege.
Ihm zufolge geht der Koalitionsvertrag an vielen Stellen auf gesellschaftliche Probleme ein. Auf immerhin 16 von 65 Seiten sei von Kinder- und Jugendpolitik, Bildung, Gesundheit und Sozialem, Migration und Integration sowie Toleranz, Demokratie und Ehrenamt die Rede. Dies sei »kein schlechtes Verhältnis etwa im Vergleich zu Wirtschaft, Sicherheit, Infrastruktur oder Landesplanung«. Die Koalitionspartner verwendeten im Text zahlreiche »Schlüsselwörter«. Man habe nach der Lektüre den Eindruck, dass »fast alles Wichtige mal
benannt« worden sei, sagte Kaczynski. »Und dennoch beschleicht einen ein merkwürdiges Gefühl der Unbestimmtheit.« Denn der Koalitionsvertrag bleibe an vielen Stellen konkrete Antworten schuldig, vor allem auch, wenn es um die Finanzierung gehe.
Kaczynskis Hauptanliegen war, dass der in Brandenburg geschlossene »Pakt für Pflege« nicht versandet, sondern konsequent weiterentwickelt wird. Dazu müsse die Landesregierung 30 Millionen Euro in die Hand nehmen, forderte er. Nur so sei ein Pflegenotstand abzuwehren, »der immer mehr droht«. Mit dem »Pakt für Pflege« sei eine Antwort gefunden worden, doch müssten »die Strukturen weiter ertüchtigt werden«.
Laut Kaczynski gilt es darüber hinaus, den »Runden Tisch Fachkräftesicherung«
fortzuführen. Das Bundesland benötige Schulsozialarbeiter, stelle dafür auch Ausbildungskapazitäten bereit. Aber die Abbrecherquote bei der Ausbildung sei »nicht zu vertreten«. Unkonkret bleibe die neue Regierung auch bei dem Anliegen, das bezahlbare Wohnen zu sichern. Im Koalitionsvertrag fehlen Kaczynski Aussagen dazu, wie die Mietpreisbremse verlängert werden könne.
Für die in der Liga zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände sind neben
der Pflege die Kitabetreuung und die Migration »zentrale Handlungsfelder«. »Insbesondere hier wird sich in den nächsten Jahren entscheiden, ob Brandenburg weiter sozial und lebenswert bleibt.« Dass SPD und BSW die Betreuungsqualität in Krippe, Kindergarten und Hort weiter verbessern wollen, sei zu begrüßen. Aber es fehlten präzise formulierte Maßnahmen, wie das gelingen solle. Anscheinend oder auch tatsächlich im Widerspruch zu mehr Qualität stehe die Maßgabe der »Kostenneutralität«.
Auf Unverständnis stößt das Ziel der Koalition, den Bereich Integration von Migranten aus dem Sozialressort in das Innenministerium zu verlagern. In einer gemeinsamen Mitteilung der Wohlfahrtsverbände dazu heißt es: »Das sehen wir ausgesprochen kritisch. Die Botschaft ist eindeutig. Künftig geht es primär um Abwehr, Abschiebung und eine möglichst zentrale und geräuschlose Verwaltung
geflüchteter Menschen unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten. Aufnahme und Integration werden zweitrangig.«
Die Verbände fordern stattdessen eine langfristige Sicherung der Beratungsstrukturen – insbesondere der Migrationsarbeit. Dagegen stünden »geplante Abwehrstrategien« wie die isolierte Unterbringung in Ausreisezentren oder die Einführung der Bezahlkarte in krassem Gegensatz zum Versprechen des Koalitionsvertrages, dass Brandenburg ein Land sei, das für Humanität und Solidarität stehe und Zuwanderung brauche.
Der Liga der Freien Wohlfahrtspflege gehören unter anderen die Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie und Deutsches Rotes Kreuz an. Die Verbände der Liga beschäftigen im Land Brandenburg zusammen rund 70 000 Mitarbeiter.