Die 27 EU-Staaten haben vergangene Woche ihre Position zu der geplanten Gesetzgebung zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität beschlossen[1]. Der Justiz- und Innenministerrat kann damit – zusammen mit der Kommission – in die sogenannten Trilog-Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament eintreten. Die neue Regelung soll das 2002 auf EU-Ebene eingeführte »Facilitators’ Package« ersetzen[2]. Es steht in der Kritik, auch Solidaritätshandlungen und humanitäre Hilfe zu als »Schleusung« kriminalisieren. Der nun beratene Gesetzesentwurf droht diese Problematik weiter zu verschärfen.
Das geplante Gesetz sieht eine »Mindestharmonisierung« vor, was bedeutet, dass Mitgliedstaaten strengere nationale Regelungen einführen können. Dadurch könnte die Ausweitung von Strafmaßnahmen erleichtert werden, befürchten Kritiker*innen wie die Berliner Organisation Borderline Europe oder Pro Asyl. Straftaten wie die Unterstützung illegaler Einreise oder des Aufenthalts sollen jedoch nach gegenwärtigem Entwurf nur dann strafbar sein, wenn sie mit einem finanziellen oder materiellen Vorteil verknüpft sind. Auch die Bundesregierung hatte dafür gestimmt.
Allerdings handelt es sich dabei nur um einen sogenannten Erwägungsgrund: Mitgliedstaaten können altruistische Handlungen dennoch kriminalisieren, da die »finanzielle Vorteil«-Klausel nicht verpflichtend ist. Auch die Unterstützung von Familienangehörigen könnte demnach unter Umständen strafbar sein. Die vorgesehenen Strafmaße für schwere Vergehen wie die Mitgliedschaft in kriminellen Organisationen oder den Tod von Migranten wurden im Vergleich zu früheren Fassungen allerdings reduziert.
Derweil gibt die Kommission in Brüssel Hunderte Millionen Euro aus, um das »Schleuserpaket« auch mit technischen Mitteln zu begleiten. Denn nach Schätzungen von Europol werden 90 Prozent der Migrant*innen, die irregulär in die EU kommen, geschleust. Unter den im Rahmen des EU-Forschungsprogramms Horizont geförderten Projekten sind »Compass2020«, »Effector« und »Promenade«, die KI-gesteuerte Plattformen zur maritimen Überwachung entwickeln sollten. Unter dem Namen »Nestor«[3] forschen die Beteiligten sogar an einem »ganzheitlichen Überwachungssystem für die EU-Grenzen«, das Lösungen für »Herausforderungen« wie dichte Wälder, hohe Berge, unwegsames Gelände sowie See- und Flussgebiete bereitstellen soll.
Zuletzt hat AlgorithmWatch 24 dieser EU-finanzierten Projekte im Bereich der Migration, Flüchtlingspolitik und Reisekontrolle kritisch analysiert. Die Förderbeträge reichen dabei von knapp 3 Millionen Euro bis über 9 Millionen Euro pro Projekt. Viele Technologien an den europäischen Außengrenzen verfolgten fragwürdige Ziele, heißt es dazu in der von AlgorithmWatch vorgelegten Studie »Automation on the Move«[4]. Daran sind auch deutsche Rüstungsfirmen[5] wie Airbus Defence oder Hensoldt beteiligt.
AlgorithmWatch fordert, dass KI-Anwendungen im Migrationskontext streng reguliert und durch Transparenzstandards, Aufsicht und Einbeziehung betroffener Personen kontrolliert werden. Stimmen von Migrant*innen und der Zivilgesellschaft in der EU-Forschung müssten gestärkt werden. Außerdem fordert AlgorithmWatch eine klare Trennung zwischen zivilen und militärischen Anwendungen der Technologien. Informationen über eingesetzte KI-Systeme sollten frei zugänglich sein, um öffentliche Kontrolle zu ermöglichen.