Deutschland soll »kriegstüchtig« werden. Dazu gehört nicht nur die Wiederbelebung der Wehrpflicht[1] oder der Bau von Bunkern und Schwerlastbrücken, sondern auch das Gesundheitswesen soll auf den Kriegsfall vorbereitet werden. Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurde die Zahl der Bundeswehrkrankenhäuser von 14 auf fünf reduziert. In internen Sitzungen und in der wehrmedizinischen Literatur ist man sich einig: Die 1800 Betten in den Bundeswehrkrankenhäusern würden bei einem Landkrieg unter Beteiligung von Nato-Truppen in Europa nicht lange reichen.
Im Koalitionsvertrag der inzwischen geplatzten Ampel verbirgt sich der Plan im Absatz »Öffentlicher Gesundheitsdienst«. Dort heißt es: »Mit einem Gesundheitssicherstellungsgesetz stellen wir insbesondere die effiziente und dezentrale Bevorratung von Arzneimittel- und Medizinprodukten sowie regelmäßige Ernstfallübungen für das Personal für Gesundheitskrisen sicher.« »Gesundheitskrisen« – damit ist nicht vor allem die Vorbereitung auf eine Pandemie oder klimabedingte Naturkatastrophen gemeint, sondern der Kriegsfall. Ein Gesetzentwurf liegt bisher noch nicht vor, doch aus den nichtöffentlichen Sitzungen des Gesundheitsausschusses und aus einschlägigen militärmedizinischen Publikationen lässt sich einiges ableiten: Das zivile Gesundheitswesen soll in militärische Planungen einbezogen, die Trennung zwischen zivilem Katastrophen- und militärischem Zivilschutz weiter aufgeweicht werden.
Insgesamt geht es nicht nur um den Zugriff der Bundeswehr und der Nato-Verbündeten auf zivile Behandlungskapazitäten, sondern auch um die Aus- und Weiterbildung ziviler Beschäftigter für kriegstypische Verletzungen sowie um die Etablierung von festen Strukturen zivil-militärischer Zusammenarbeit. Insbesondere will man sich auf die Rolle Deutschlands als Drehscheibe massiver Truppenverlegungen gen Osten[2] und die Rückverlegung der Verletzten vorbereiten. So wurde zum Beispiel das Kreiskrankenhaus im sächsischen Weißwasser im September 2024 im Rahmen des Manövers »Strong Blue« erstmals Schauplatz einer gemeinsamen Übung mit der Bundeswehr zur Sichtung und Priorisierung (Triage) von Verletzten aus einer »Situation der Landes- oder Bündnisverteidigung«.
Die Mobilmachung im Gesundheitswesen ist ein wesentlicher Teil der psychologischen Kriegsvorbereitung. Soldat*innen sollen das Gefühl haben, dass sie im Fall einer Verletzung optimal versorgt werden. Auch der Zivilbevölkerung soll vermittelt werden, dass ein Krieg überlebt und gewonnen werden kann. Das fördert die Kampfmoral und befriedet die Heimatfront.
Ob Menschen, die schon heute ein durchökonomisiertes Gesundheitssystem[3] an der Überlastungsgrenze erleben, dieser Inszenierung Glauben schenken, darf bezweifelt werden. Schon ein konventioneller Krieg in einem Land wie Deutschland würde die Gesundheitsversorgung schnell über den Kipppunkt bringen. Erst recht würde es beim Einsatz von Massenvernichtungswaffen heißen: Wir können euch nicht helfen!
Die beste Gesundheitsversorgung für Kriegszeiten bleibt also die Prävention von Krieg. Das gilt für Soldat*innen und für Zivilist*innen gleichermaßen.