nd-aktuell.de / 18.12.2024 / Politik / Seite 1

»Die Ernährungskrise zwingt zum Umdenken«

Theophilus Mudzindiko über den Fortschritt der Agrarökologie in Simbabwe

Interview: Hannah Mertgen, WfD
Bei der kleinbäuerlichen Feldarbeit in Simbabwe ist mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen.
Bei der kleinbäuerlichen Feldarbeit in Simbabwe ist mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen.

Was ist die größte Herausforderung, mit der die Landwirtschaft in Simbabwe aktuell kämpft?

Vor der Kolonialisierung betrieben wir in Simbabwe gemeinschaftlich Landwirtschaft, basierend auf jahrhundertealtem Wissen. Wir kümmerten uns um das Ökosystem, und das Ökosystem kümmerte sich um uns. Ubuntu heißt das Prinzip: Ich bin, weil du bist. Die »konventionelle« Landwirtschaft sollte Ernährungssicherheit und stabile Einkommen bringen, doch sie erzeugte und verschlimmerte Ernährungskrisen. Unsere Böden sind ausgelaugt; ursprüngliche, vielseitige Lebensmittel werden nicht mehr angebaut, und nur die älteren Menschen erinnern sich noch an unsere ursprünglichen Methoden. Was wir brauchen, das ist ein Umdenken, sowohl bei den Menschen als auch beim Staat.

Was unternimmt PELUM Zimbabwe, um diese Herausforderungen zu bewältigen?

Wir arbeiten mit Gemeinschaften und Regierungsvertreter*innen. Als Netzwerk-Organisation bieten wir eine starke Plattform für Agrarökologie. Unsere Mitglieder – Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen – setzen sich für agrarökologische Methoden ein. Wir fördern gemeinsames Lernen, stärken das Wissen unserer Mitglieder und machen sie damit widerstandsfähiger gegen Dürre. Gleichzeitig zeigen wir der Regierung: Unsere Ansätze funktionieren.

Einer eurer besonderen Ansätze ist die partizipative Aktionsforschung. Kannst du uns erzählen, wie das funktioniert?

Normalerweise findet Forschung im Labor statt, und Ergebnisse landen in wissenschaftlichen Journalen. Die Erkenntnisse kommen nie auf den Feldern an. In der partizipativen Aktionsforschung bringen wir den Kleinbäuerinnen und -bauern wissenschaftliche Methoden bei, die sie selbst auf ihren Feldern anwenden. So kommen wir zu umsetzbaren Ergebnissen. Zum Beispiel können die Bäuerinnen und Bauern testen, welcher Dünger am besten für sie funktioniert. In Dialogen und Feldbesuchen stellen wir die Ergebnisse der Forschung dann Regierungsvertreter*innen vor. Uns ist wichtig, dass die Menschen für sich selbst sprechen. Unsere Argumente stützen wir mit Forschungsergebnissen, die die Realität der Menschen abbilden.

Gibt es ein Beispiel, das dich besonders beeindruckt hat?

Simbabwe wird trockener. Ständig haben wir Dürren. In der Anbausaison 2023/24 war es besonders schlimm. Die Vereinten Nationen berichteten, dass etwa 60 Prozent der Ernte verdorrten. Die Situation war hoffnungslos. Besonders Maisbauern verloren ihre ganze Ernte. Diejenigen, die Agrarökologie praktizieren, hatten trotzdem gute Ernten. Sie pflanzten einheimische Feldfrüchte, betrieben Wasserernte, nutzten andere agrarökologische Praktiken. Eine Frau, an die ich mich gut erinnere, baute sogar Reis an, und das in einer der trockensten Regionen Simbabwes. Sie lebt in einer Gemeinde, die konventionelle Landwirtschaft betreibt und dringend Nahrungsmittel brauchte. Insgesamt zeigen unsere Beobachtungen: Die Methoden der Agrarökologie greifen ineinander und funktionieren am besten zusammen.

Sieht man auch auf Regierungsebene bereits Ergebnisse eurer Arbeit?

Partizipative Aktionsforschung begannen wir erst 2023, aber politisch setzen wir uns schon seit 1995 für Agrarökologie ein. Das gesamte PELUM-Netzwerk sieht, dass die Regierung ihre Einstellung zur Agrarökologie drastisch geändert hat. Früher war die Agrarökologie bei ihr unbeliebt, jetzt wartet eine Strategie für Agrarökologie nur auf die Unterschrift des Ministers.