Schon vor seiner zweiten Amtsübernahme testet Donald Trump, wie weit er als Präsident gehen kann. Die Beispiele unterscheiden sich, das Ziel nicht: Der neue, alte Mann im Weißen Haus will alles, was ihm im Weg stehen könnte, abräumen und seine Macht absolutistisch verschönern. Für seine Kabinettsliste hat er mehrere Leute gewählt, die, werden sie bestätigt, Böcke zu Gärtnern machen – Impfgegner Robert F. Kennedy jr. ist als Gesundheitsminister nur einer von ihnen. Personen, die ihn in der ersten Amtszeit (2017–2021) wegen diverser Verfehlungen zur Rechenschaft zogen oder ziehen wollten, droht Trump massenweise Haft an. Verurteilte Gewalttäter, die 2021 am blutigen Putschversuch auf das Kapitol beteiligt waren, will er dagegen begnadigen, künftige Proteste gegen sich gegebenenfalls mit dem Militär bekämpfen und Millionen nicht dokumentierter Einwanderer abschieben. So gesetzwidrig manche Vorhaben auch sind, Trump fühlt sich geschützt durch das Oberste Gericht. In Verbindung mit Verfahren gegen seine Person hatte der Supreme Court im Sommer 2024 geurteilt, ein amtierender Präsident sei bei »offiziellen Handlungen« immun.
Eines seiner Vorhaben verstößt sogar gegen die Verfassung und könnte zu einem der größten Rechtsstreitfälle seiner neuen Amtszeit führen: Trump will das im 14. Zusatzartikel der »Constitution« garantierte Staatsbürgerschaftsrecht abschaffen oder einschränken, wonach jede Person, die auf dem Territorium der USA geboren wird, automatisch auch deren Staatsbürger ist. Nach eigenen Aussagen will Trump damit seinen Plan für Massenabschiebungen von angeblich »illegalen« Immigranten begleiten. Trump weiß, dass dieses Vorhaben viele Hürden hätte, nicht rasch umsetzbar wäre und letztlich vom Supreme Court entschieden werden müsste. Dort jedoch hat er in seiner ersten Amtszeit mit der Ernennung dreier genehmer Richter eine rechte Mehrheit installiert. Deshalb hofft er spätestens an dieser Stelle auf den finalen Erfolg seines Versuchs, das Staatsbürgerschaftsrecht fremdenfeindlich umzubauen.
Die höchste Hürde besteht darin, dass der 14. Verfassungszusatz nicht einfach durch Präsidentenerlass gekippt werden kann. Ein solcher Erlass mit Gesetzeskraft kann zwar ohne Beteiligung des Parlaments beschlossen werden, sofern er auf Grundlage der dem Präsidenten in der Verfassung übertragenen Vollmachten entsteht. Ein Verfassungszusatz jedoch kann nicht per Dekret, sondern im Grunde nur durch einen neuen Zusatz aufgehoben werden. Dies wiederum kann nicht der Präsident auflegen, sondern nur der Kongress, und der auch nur mit Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern. Anschließend wäre moch die Ratifizierung durch drei Viertel aller Bundesstaaten nötig.
Hindernisse für den Präsidenten stellen auch Justiz, Bürgerrechtsorganisationen und Teile der Öffentlichkeit dar. Sie gaben bereits bei Bekanntwerden von Trumps jüngster Ankündigung zu verstehen, dass sie jegliche Schritte zur Beseitigung des geltenden Staatsbürgerschaftsrechts mit Klagen gegen die Regierung beantworten würden. Laut US-Zeitung »Politico« bereitet Trumps Übergangsteam einen Präsidentenerlass vor, der das Geburtsrecht zur Erlangung der US-Staatsbürgerschaft für Kinder nicht gemeldeter Immigranten aufheben soll. Obwohl bisher kaum Details bekannt seien, so »Politico«, könne Trump »Verschiedenes tun, etwa Auflagen ans Außenministerium, Kindern Pässe zu verweigern, für die keine Angaben zum Einwanderungsstatus der Eltern vorliegen oder eine Direktive an die Sozialversicherungsbehörde, diesen Kindern keine Sozialversicherungsnummer zu erteilen«. Nach Schätzungen des Heimatschutzministeriums leben aktuell elf Millionen Menschen ohne Erlaubnis in den USA.
Rechtsexperten und Parlamentarier sowohl der Demokraten als auch von Trumps Republikanern halten es für unwahrscheinlich, die Staatsbürgerschafts-Klausel per Erlass beseitigen zu können. Kein Dekret könne den 14. Zusatzartikel kippen, weil der Präsident nicht die Befugnis habe, sich an der Verfassung zu vergreifen. Trump könne per Dekret die Einwandererzahlen drücken, doch die Staatsbürgerschaft nach Geburtsrecht sei garantiertes Recht, so Adam Winkler, Rechtsprofessor an der Universität von Kalifornien. »Der Hauptgrund für die Verankerung dieses Anspruchs in der Verfassung bestand darin, es der Politik aus der Hand zu nehmen.«
Im Kern wird die US-Staatsbürgerschaft durch Geburtsrecht auf zwei Wegen erworben: weil eine Person auf dem Territorium der Vereinigten Staaten geboren wird oder wenn mindestens ein Elternteil bei Geburt des Kindes die Staatsbürgerschaft besitzt. Der Artikel war 1868, nach dem Bürgerkrieg, in die Verfassung aufgenommen worden. Der Kongress wollte damit sicherstellen, dass Kinder früherer Sklaven Staatsbürger wurden. Deshalb kassierte die Verfassungsergänzung zugleich ein Urteil des Obersten Gerichts von 1857. Dies hatte zur Zeit der Sklaverei festgelegt, dass Schwarze kein Recht auf die US-Staatsbürgerschaft hätten, seien sie nun im Land oder außerhalb, als Sklaven oder als Freie geboren.