Die Wohnungsknappheit in der Schweiz nimmt zu. Die Leerwohnungsziffer liegt nur noch bei knapp mehr als einem Prozent. Das Bundesamt für Wohnungswesen prognostiziert für das laufende Jahr einen anhaltend starken Rückgang. Die Bodenpreise steigen, weil mit Boden spekuliert wird. Günstige Wohnungen werden abgerissen. Und das, während der Reallohn teuerungsbereinigt rückläufig ist.
Dramatisch ist die Situation vor allem in den Städten. In Zürich, Bern, Genf, Luzern und St. Gallen sind die sogenannten Angebotsmieten in nur einem Jahr um mehr als sechs Prozent gestiegen. In Zürich beträgt die Zunahme sogar fast zwölf Prozent. Unter Angebotsmieten versteht man die Mietpreise von ausgeschriebenen Wohnungen. Sie stehen den Bestandsmieten gegenüber, die bestehende Mietverhältnisse betreffen. Der Mietpreisindex des Bundesamts für Statistik umfasst sie beide. Er besagt, dass die Mieten seit 2005 insgesamt um fast 25 Prozent gestiegen sind. Die Konsument*innenpreise sind in derselben Zeit um nicht einmal 10 Prozent angestiegen. Analyst*innen sind sich einig, dass auch in den kommenden Jahren die Mietpreise stärker wachsen werden als das allgemeine Preisniveau.
Bei der Beschäftigung mit Schweizer Politik lohnt sich fast immer ein Blick ins »Historische Lexikon der Schweiz«. Dort steht, was in der Wohnpolitik meistens vergessen wird. Erstens, dass der Wohnungsmarkt erst Mitte der sechziger Jahre erheblich liberalisiert wurde. Und zweitens, dass Wohnungsnot schon lange ein periodisch wiederkehrendes Phänomen ist.
Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts galt: Wenn der Leerwohnungsstand die Fünfprozentmarke überschreitet, bricht der Wohnungsbau ein. Wenn der Leerstand abnimmt, steigen die Preise wieder; dann wird auch wieder mehr in den Wohnungsmarkt investiert. Für die Mieter*innen gilt aus Sicht des Immobilienmarkts also: Ein bisschen leiden müssen sie. Das Kapital, das in neue Wohnungsbauten investieren könnte, hat kein Interesse an zahlbaren Mieten – und kein Problem mit einer niedrigen Leerwohnungsziffer. Denn gebaut wird nicht, was gebraucht wird, sondern was rentiert.
Laut einer Studie des Büros BASS von 2022 zahlen Mieter*innen derzeit jedes Jahr rund zehn Milliarden Franken mehr Miete, als aufgrund der Zinsentwicklung, der Unterhaltskosten und der gemäß Mietrecht zugelassenen Rendite erlaubt wäre. Mit dieser Summe ließe sich ohne Weiteres zusätzlich zur 13. noch eine 14. AHV-Rente (eine Art Grundrente – d.R.) finanzieren. Aber wer mag sich schon mit der Hausverwaltung anlegen? »Vermieter« ist kein richtiger Beruf. Jedes Jahr ergießt sich ein Geldsegen über diejenigen, die ohnehin schon viel besitzen, und ein großer Teil der Bevölkerung hat keine andere Wahl, als diesen zu finanzieren.
Was sich immer weiter erhitzt, fängt aber irgendwann vielleicht Feuer.
Dieser Text ist am 28. März 2024 in WOZ (Schweiz) erschienen. Der Beitrag wurde nachbearbeitet und gekürzt.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187856.wohnungskrise-feuer-unterm-dach.html