Unter dem Namen Drones For Rojava[1] sammeln Sie Geld, um die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) mit Drohnen auszustatten. Akzeptieren Sie auch Sachspenden?
Derzeit sammeln wir nur Spenden in Kryptowährungen. Wir freuen uns auch über Ideen und Hinweise von Experten zur Weiterentwicklung der Drohnenkampffähigkeiten der SDF. Wir haben Kommunikationskanäle zu deren Vertretern, um Empfehlungen weiterzuleiten.
Ihre Kampagne nennt keinen Preis einer Drohne. Wie viel müssten Unterstützer für ein Gerät spenden?
Wir wollen Drohnenkomponenten und keine fertigen Drohnen kaufen. Geplant ist die Beschaffung aus der DJI-Mavic-Serie aus China sowie von Komponenten zur Flugsteuerung, Servomotoren, GPS- und Telemetriegeräten, Kameras, elektronischen Drehzahlreglern und Ähnlichem. Die Drohnen sollen über das Prinzip FPV (First-Person-View) gesteuert werden, also mit einer Videobrille aus der Perspektive einer Kamera an Bord.
An welche Art von Bewaffnung haben Sie dabei gedacht?
Wir stehen in keinerlei Beziehung zur SDF oder anderen militärischen Kräften. Die Drohnen, die gebaut werden, und die Munition, die verwendet wird, sind deshalb nicht unser Thema. Auch welche Gegner angegriffen werden, entscheidet die SDF. Wir sind nicht in den Konflikt involviert.
Sie haben sich entschieden, die SDF militärisch zu unterstützen, anstatt beispielsweise eine friedliche Lösung des Konflikts zu fördern. Warum?
Die SDF hat keinen Kampf gegen irgendjemanden begonnen. Aber das einzige friedliche, demokratische und inklusive Regierungssystem, das in Syrien aufgebaut wurde, wird von der Türkei und ihren dschihadistischen Milizen angegriffen. Die SDF hat zwei Möglichkeiten: Widerstand leisten oder sich ergeben. Ihnen zu helfen, bedeutet nicht, Krieg zu befürworten oder dass wir einen pro-konfliktorientierten Ansatz verfolgen. Natürlich möchten wir eine friedliche Lösung der Krise in Syrien, aber wenn Ihr Land und Ihre Demokratie angegriffen werden, müssen Sie reagieren. Die SDF bekundet täglich ihre Bereitschaft zum Dialog.
Ich frage das, weil die Linke Israel, die USA, Großbritannien und die Türkei für völkerrechtswidrige Drohnenkriege kritisiert. Jetzt wollen Sie ebenfalls – wenn auch kleinere – Drohnen beschaffen. Wie geht das zusammen?
FPV-Drohnen sind Präzisionswaffen. Sie können nicht mit großen Drohnen verglichen werden, die Ziele aus großer Höhe treffen. Sie können buchstäblich keinen Kollateralschaden verursachen oder Zivilisten verletzen, es sei denn, man tut es absichtlich. Außerdem sind sie das einzige legal erhältliche Stück Hardware, das auch zu einer effektiven Waffe umfunktioniert werden kann.
Die Steuerung sogenannter Kamikazedrohnen ist nicht trivial, insbesondere angesichts feindlicher Luftverteidigung. Wie wurden die SDF-Kräfte ausgebildet?
Wir haben darüber keine eigenen Informationen. Offene Quellen zeigen jedoch, dass ihre Drohneneinheiten 2015 gegründet wurden und die SDF seitdem viel in diese erschwingliche Technologie investiert hat. Jüngste Entwicklungen zeigen, dass sie erfolgreich waren, die feindliche Luftverteidigung zu überwinden.
Inwieweit nutzen die islamistischen Milizen, die derzeit Rojava angreifen, ebenfalls Drohnen?
Wir beobachten das genau, aber bisher hat etwa die islamistische Syrische Nationale Armee (SNA) Drohnen nicht effektiv eingesetzt, trotz türkischer Unterstützung. Das islamistische Milizenbündnis HTS scheint hingegen während seiner Offensive gegen das Assad-Regime unbemannte Luftfahrzeuge genutzt zu haben. Sie haben sich jedoch auf Kamikaze-Drohnen mit relativ schweren Nutzlasten konzentriert. Wir haben keinen effektiven Einsatz von FPV-Drohnen in Syrien durch andere Gruppen als die SDF festgestellt.
Ihre Spendeninitiative lässt daran erinnern, dass die Türkei in Bezug auf Drohnen nicht mehr in der Offensive ist. Es gibt Berichte über den Abschuss großer Systeme wie Anka oder Bayraktar TB2 über Rojava.
Wir wissen, dass die SDF einige Anti-Drohnen-Systeme entwickelt hat, die sich als effektiv gegen die tödlichen Langstreckendrohnen erwiesen haben. Es gibt bestätigte Berichte, dass allein im letzten Monat mindestens eine türkische Aksungur (die neueste und größte vom türkischen Militär genutzte Drohne, Anm. d. Red.) und versehentlich eine amerikanische Reaper abgeschossen wurden. Wir haben keine Informationen über die Art der eingesetzten Waffen, aber wir denken, dass es sich um eine Art autonomes Loitering-Munition-System handelt, das Drohnen in großen Höhen angreift.
Was muss man unter einem Loitering-Munition-System verstehen?
Loitering-Munition ist ein Begriff für luft- oder bodengestützte Waffen, die autonom oder durch eine Bodenstation gesteuert werden, in der Regel über eine Video- oder GPS-Verbindung. Sie führen auf dem Schlachtfeld die Zielsuche und Aufklärung feindlicher Boden- oder Luftziele durch und tragen eine Nutzlast, um dieses Ziel zu treffen. Bekannte Systeme sind die iranischen Shaheed oder Saqhar sowie die russische Lancet. Wir haben aber keine Details darüber, ob oder wie die SDF diese Systeme nutzen.
Sie haben dem Interview nur zugestimmt, wenn ich nichts über Mitglieder Ihrer Gruppe frage. Können Sie aber sagen aus welchen Bereichen sie kommen?
Wir sind eine Gruppe junger Menschen, überwiegend kurdischer Herkunft, und einige internationalistische Freiwillige, ohne Verbindungen zu irgendeiner Institution oder finanzielle Unterstützung von irgendjemandem. Wir sind kein großes Team. Wir haben Luft- und Raumfahrttechnik-Studenten, Softwareentwickler und Menschen mit unterschiedlichen Bildungswegen. Einige von uns leben in Europa, einige in Rojava und einige in den USA. Die meisten von uns haben sich nie persönlich getroffen. Das Einzige, was uns verbindet, ist unser Patriotismus gegenüber der kurdischen Sache und unsere Unterstützung der SDF angesichts von Angriffen durch die zweitgrößte Nato-Armee und ehemalige Al-Qaida- und IS-Kämpfer. Das ist unsere einzige Motivation.