Ercan Burgu ist gestresst. Der Betriebsrat arbeitet bei Burger King im westfälischen Kamen beim Franchisenehmer Schlossburger GmbH. In seiner Filiale und generell bei Burger King ist die Stimmung »nicht so gut«, sagt er im Gespräch mit »nd«. Es fehlt händeringend an Personal, gerade zum stressigen und umsatzstarken Feiertagsgeschäft war das wieder spürbar. »Viel zu wenig. Wir dürfen auch keine Neuen einstellen, damit wir Kosten sparen«, berichtet Burgu. Ähnlich soll es auch bei anderen Fast-Food-Ketten zugehen.
Dabei ist die Systemgastronomie und insbesondere die Fast-Food-Sparte eine sogenannte Wachstumsbranche: 2023 steigerten die Schnellrestaurantketten in Deutschland ihren Umsatz auf insgesamt 28 Milliarden Euro. Davon machte allein Burger King mit seinen hiesigen Filialen einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro aus – ein Rekordwert, wie aus Zahlen des Portals Statista hervorgeht. Laut Fachmagazin Foodservice konnten Deutschlands 100 führende Gastronomieunternehmen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 14,2 Prozent beim Nettoumsatz verbuchen.
Auch vor dem Hintergrund fordern Angestellte wie Burgu gemeinsam mit der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG), mehr von diesen Profiten abzubekommen. In der Branche arbeiten rund 120 000 Beschäftigte etwa bei McDonalds, Starbucks, Burger King, Nordsee oder Vapiano. In den seit Juli laufenden Tarifverhandlungen fordert die NGG einen Einstiegslohn von 15 Euro pro Stunde für die unterste Tarifgruppe, 500 Euro mehr im Monat für alle ab der zweiten Tarifgruppe und eine höhere Ausbildungsvergütung. Auch eine Einmalzahlung von 500 Euro für NGG-Mitglieder soll drin sein.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Systemgastronomie (BdS), Markus Suchert, soll die zunächst angebotene Lohnerhöhung von zehn Cent in der letzten Runde um fünf Cent auf 13,18 Euro pro Arbeitsstunde erhöht haben. Laut eigenen Angaben vertritt der Verband über 830 Mitgliedsunternehmen. Anfang Dezember war die vierte Verhandlungsrunde zwischen NGG und BdS erfolglos zu Ende gegangen. Nach dem Ende der Friedenspflicht im Sommer rief die Gewerkschaft immer wieder zu Streiks auf. Zuletzt wurden die Verhandlungen auf Eis gelegt. »Der BdS fordert die Gewerkschaft auf, zurück an den Verhandlungstisch zu kommen, gegebenenfalls auch mit einem Schlichtungsverfahren«, erklärte der Verband im Dezember.
Für die NGG war der Arbeitgeber-Vorstoß ein inakzeptables »Magerangebot«. »Wir haben die Verhandlungen abgebrochen und werden sie erst wieder aufnehmen, wenn die Arbeitgeber uns ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen«, sagt Samir Boudih von der NGG aus Dortmund. Und er fügt hinzu: »Wir haben keinen Druck, denn der Mindestlohn steigt schneller als die Tariferhöhungen, die vom Arbeitgeberverband angeboten wurden.« Der noch nachwirkende Tarifvertrag sieht einen Abstand von 0,20 Euro zum gesetzlichen Mindestlohn vor. Der stieg zum ersten Januar auf 12,82 Euro. Heißt also: automatische Lohnerhöhung auf 13,02 Euro – ohne neuen Tarifvertrag. Damit ist die Systemgastronomie eine klassische Niedriglohnbranche, die stark migrantisch geprägt ist.
Aufgrund der hohen Inflation der letzten Jahre haben die Beschäftigten starke Reallohneinbußen erlitten. »Der aktuell wirkende Tarifvertrag wurde im März 2020, kurz vor dem ersten Lockdown, abgeschlossen. Damals lag der gesetzliche Mindestlohn bei 9,35 Euro. Unsere Forderung war es damals, einen tariflichen Lohn in Höhe von mindestens 12 Euro zu erreichen, weil das damals noch als armutssicherer Lohn galt.« Im Gegenzug verpflichtete sich die Gewerkschaft zu einer langen Laufzeit des Tarifvertrags von vier Jahren. »Das war die Pille, die wir dafür schlucken mussten«, sagt Boudih von der NGG. In anderen Branchen beträgt sie meist zwei Jahre.
Damals sei nicht absehbar gewesen, dass der gesetzliche Mindestlohn die ersten drei Entgeltgruppen im Tarifvertrag überholen würde. Wichtig ist nun: Einen Tarifvertrag mit einer kurzen Laufzeit abzuschließen und einen armutssicheren Lohn zu verhandeln. »Viele Beschäftigte in der Branche müssen, um ihre Existenz zu sichern, ihre Löhne beim Jobcenter aufstocken«, erklärt Boudih. So ließen sich die Arbeitgeber ihre schlechten Löhne vom Staat subventionieren, kritisiert er.
Dazu wollten sich Unternehmen wie McDonalds und Burger King nicht äußern. Auch nicht zu Vorwürfen, dass sie unlauter gegen die Gewerkschaft in den Betrieben vorgehen würden. »Der Betriebsrat wird immer angegriffen«, sagt Burgu. Oder noch krasser: »Er wird gekauft, damit der Arbeitgeber sein Ziel erreicht.«
Um ein Tarifergebnis zu erzwingen, hat die Arbeitgeberseite eine Schlichtung ins Spiel gebracht. Die NGG will den Druck dagegen mit einem bundesweiten Aktionstag am 9. Januar in Hamburg erhöhen. Unterstützung erhält die Gewerkschaft dabei auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Neben dem NGG-Bundesvorsitzenden, Guido Zeitler, soll die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sprechen. In der Ankündigugn kritisieren die Gewerkschaften »die starke Arbeitsverdichtung und viel zu geringe Löhne«. Betriebsrat Burgu hält einen bundesweiten Streik für notwendig. »Das wäre mal eine Lösung«, sagt er. Streiks finden meist regional und auf Unternehmen begrenzt statt. Zuletzt wurde etwa die Arbeit bei Nordsee in Bayern niedergelegt.