Drei Monate nach der Parlamentswahl ist in Österreich der Versuch der Bildung einer Dreier-Koalition gescheitert. Die liberalen Neos verkündeten ihren Ausstieg aus den wochenlangen Koalitionsgesprächen mit der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ.
Es sei gerade in den vergangenen Tagen zu spüren gewesen, dass trotz vieler Anstöße durch die Liberalen nicht der dringend notwendige Reformwille aufkomme, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. »Wir hatten immer ein Ziel: mehr als nur das Nötige zu schaffen.«
Seit Mitte November hatten ÖVP, SPÖ und die Neos über ein Regierungsbündnis verhandelt. Eine solche Koalition aus drei Parteien wäre eine Premiere in Österreich gewesen. Die Gespräche waren auch ein Versuch, den klaren Wahlsieger, die rechte FPÖ, von der Macht fernzuhalten. Zwar hätten auch ÖVP und SPÖ eine Mehrheit, aber nur mit einer Stimme.
Das Scheitern der Dreier-Gespräche gilt als schwerer Schlag für Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer. Der Regierungschef hatte eine Zusammenarbeit mit der rechten FPÖ unter deren Parteichef Herbert Kickl strikt ausgeschlossen und als Alternative auf das Dreier-Bündnis gesetzt. »Er ist angezählt«, sagte Polit-Berater Thomas Hofer.
Die FPÖ fühlt sich in ihren Vorhersagen bestätigt. Seit Monaten warne sie vor dieser »politischen Missgeburt der Verlierer-Ampel nach deutschem Vorbild«, sagte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. »Karl Nehammer hat all diese Bedenken ignoriert, weil es ihm in Wahrheit nur um eines geht: seinen eigenen Job als Kanzler!« Die FPÖ forderte den Rücktritt des Kanzlers.
Zunächst war unklar, wie es nun weitergeht. Als wahrscheinlichste Variante gelten Neuwahlen. Dabei könnten die Rechtspopulisten auf einen fulminanten Sieg hoffen. Letzten Umfragen zufolge könnte die FPÖ ihr Ergebnis von 29 Prozent noch einmal deutlich auf rund 35 Prozent steigern.
Im Fall von Neuwahlen sei Nehammer nicht automatisch als Spitzenkandidat gesetzt, meint Hofer. Die Personaldiskussion – inklusive einer Variante mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz – wäre eröffnet, sagte der Polit-Berater weiter.
Statt einer großen gemeinsamen Vision für das Land habe laut Neos-Chefin Meinl-Reisinger eher ein Denken nur bis zum nächsten Wahltermin geherrscht. »Ich mache mir ernsthafte Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit. Ich mache mir ernsthafte Sorgen um den Standort.« Ähnlich wie bei der inzwischen beendeten Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP in Deutschland wurden Finanzfragen zur Schlüsselfrage.
Knackpunkt der Verhandlungen war die Planung eines neuen Haushalts. Österreich steckt in einer Wirtschaftskrise und muss gleichzeitig streng sparen, um die EU-Kriterien für finanzielle Stabilität zu erfüllen. Die Balance zwischen einem Sparkurs und Maßnahmen, die die Wirtschaft ankurbeln, gilt als Hauptaufgabe einer neuen Regierung. dpa/nd