Am Dienstagmorgen stand erneut eine propalästinensische Aktivistin vor Gericht. Sie hatte sich an der Besetzung der Humboldt-Universität (HU) beteiligt – ihr wird Hausfriedensbruch vorgeworfen. Der verteidigende Anwalt Yaşar Ohle sagt »nd«, dass ein als Zeuge geladener Polizeibeamter unangemeldet nicht erschienen sei. Darum habe der Richter angeboten, über eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflage zu sprechen. »Wir lehnten das ab, weil wir verhandeln wollen und davon ausgehen, dass wie im Verfahren im Dezember freizusprechen ist«, sagt Ohle. Kurzzeitig sei diskutiert worden, ob die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl zurücknehmen wolle – diese lehnte jedoch ab. Einen neuen Gerichtstermin gibt es nicht; Verfahren gegen weitere Besetzer*innen sind für den 10. und 13. Januar angesetzt.
Im Mai 2024 hielten etwa 100 Aktivist*innen der Students Coalition das Sozialwissenschaftliche Institut der HU für zwei Tage besetzt[1]. Die Aktivist*innen forderten unter anderem, dass die Universität sich öffentlich für einen Waffenstillstand in Gaza[2] und gegen Waffenlieferungen an Israel ausspreche. Besetzer*innen hinterließen auch Slogans wie »Yallah Intifada – Widerstand ist legitim« und umstrittene rote Dreiecke an den Wänden der Uni.
Mitte Dezember war bereits eine Aktivistin aus Mangel an Beweisen von der Anklage vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen worden. Auch die HU-Präsidentin Julia von Blumenthal hatte damals vor Gericht ausgesagt. In ihrer Erklärung vor Gericht soll sich die Präsidentin laut Angaben der »Jungen Welt«[3] in Widersprüchen verstrickt haben – dabei ging es vor allem um die Frage, wer die Räumung durch die Polizei auf welcher Grundlage angeordnet habe.
Die Besetzung war mit einer Frist bis zum 23. Mai geduldet worden. Von Blumenthal nahm sogar an einem Podium im besetzten Hörsaal teil. Am Abend des 23. Mai wurde die Besetzung gewaltsam von der Polizei aufgelöst – entgegen der Absprache, die die Aktivist*innen mit von Blumenthal getroffen hatten. Kritik an der Räumung gab es nicht nur vonseiten der Aktivist*innen; auch ein Anwaltskollektiv[4] verurteilte die Polizeigewalt, von der laut Medienberichten auch ein Journalist und ein Anwalt betroffen waren. Das Kollektiv kritisierte zudem, dass die Identität aller Besetzer*innen polizeilich erfasst wurde – ebenfalls entgegen der Absprache, die die Aktivist*innen zuvor mit der Universitätsleitung getroffen hätten.
Am Montag kam es zu einer propalästinensischen Besetzung an der Alice-Salomon-Hochschule im Ortsteil Hellersdorf. Auf der Plattform X kursiert ein Video[5], das die Hochschulpräsidentin Bettina Völter zeigt, wie sie am Montagabend mit der Polizei kommuniziert. »Wir brauchen Sie nicht«, sagt Völter zu zwei Beamten gewandt. »Wir erleben das als bedrohlich, dass Sie vorne am Eingang stehen.« Die beiden Polizisten laufen schnellen Schrittes in Richtung Hochschuleingang, aus dem zuvor sowohl die Präsidentin als auch Studierende freiwillig herausgekommen waren. »Wer hat Sie geordert hierherzukommen?«, fragt Völter einen der Beamten. »Die Polizei«, antwortet dieser. Die Frage der Präsidentin, welche Gefahr bestehe, bleibt unbeantwortet. Zunächst war von etwa 60 Besetzer*innen die Rede. Die Aktionen gingen auch am Dienstag weiter.