Die Einigung zwischen IG Metall und VW-Vorstand[1] kam pünktlich zu Weihnachten: keine betriebsbedingten Kündigungen, keine Standortschließungen, dafür bis zu 35 000 weniger Stellen – und eine große Portion Ungewissheit. Besonders betroffen ist die Gläserne Manufaktur in Dresden.
Als Prestige-Produktionsstätte erdacht – hier wird auf Edelparkett und mit weißen Handschuhen[2] gearbeitet – montieren dort seit 2021 rund 330 Beschäftigte in geringer Stückzahl Elektroautos. Ende 2025 soll nun die Fahrzeugfertigung eingestellt werden. Wie es danach weitergeht, soll ein Alternativkonzept klären.
Am Dienstag stieß eine Gruppe Engagierter die Debatte um die Zukunft des Standortes an. Laut eigenen Angaben handelt es sich dabei um einen losen Zusammenschluss von VW-Arbeiter*innen, Beschäftigten des Bahntechnikunternehmens Alstom sowie Aktivist*innen[3]. Die Vereinigung nennt sich »Zukunft Volkswagen«, diesen Namen trug auch die Vereinbarung zwischen IG Metall und VW. »Wir haben den Titel als Aufforderung verstanden, zu handeln«, erklärt einer der Aktiven gegenüber »nd«.
Die Gruppe organisierte einen Informationsstand direkt vor der Gläsernen Manufaktur. Ein Banner verkündete die Kernforderungen: »Erhalt aller Arbeitsplätze, Arbeitszeitverkürzung und Umbau auf öffentliche Verkehrsmittel jetzt!«
Diskussionen um den Dresdner Standort gibt es allerdings nicht erst seit dem Tarifstreit bei VW. Die Gläserne Manufaktur steht schon länger als teures Marketinginstrument in der Kritik. Der aktivistische Zusammenschluss »Zukunft Volkswagen« reagiert darauf mit dem Verweis, bei dem Gebäude handele es sich um eine der Top-Sehenswürdigkeiten in Dresden – und um den ersten Standort, der vollständig auf Elektromobilität umgestellt wurde. Deshalb eigne er sich gut als Pilotprojekt, um die Umstellung der Produktion für andere Volkswagen-Standorte zu erarbeiten. »Die gläserne Architektur ermöglicht einen Einblick in die Produktion und bringt Möglichkeiten, von außen Ideen einzubringen. Hier in Dresden kann etwas Großartiges für eine gute Zukunft für uns alle entstehen«, heißt es in einer Pressemitteilung.
Erstes Ziel der Gruppe sei es, die verschiedenen Akteure und Interessengruppen zusammenzubringen. Ein initiales Gespräch mit dem Betriebsrat sei gut verlaufen. »Wir wollen klarstellen, dass wir ein gemeinsames Interesse mit den Kolleg*innen haben und zusammen Konzeptideen für die Zukunft entwickeln möchten. Klar ist: Es geht nicht darum, die Belegschaft zu instrumentalisieren«, erklärt einer der Organisatoren gegenüber dem »nd«. »Dieser Kampf der VW-Beschäftigten ist unser aller Kampf. Es geht um mehr als einzelne Werke – es geht um die Frage, wer über unsere Zukunft entscheidet: die arbeitenden Menschen oder einige Wenige, die auf Kosten aller anderen ihre Gewinne maximieren«, fügt eine Betriebsrätin in der Schienenverkehrsbranche hinzu.
Auch Torsten Schulze, wirtschaftspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Dresden, war am Dienstag vor Ort: »Diesen innovativen Standort müssen wir erhalten und brauchen neue Ideen, die wir als Gesellschaft gemeinsam entwickeln. Die Herausforderungen der Verkehrswende sind enorm und es wäre wichtig, wenn dieser Standort dazu beitragen kann, diese zu lösen. Das sollten wir im Wirtschaftsausschuss in Diskussion bringen.«
Ein Pressesprecher der Volkswagen Sachsen GmbH bestätigte gegenüber dem »nd« den Kontakt mit den Aktivist*innen. Er zeigte sich außerdem offen für Ideen von außen: »Die Volkswagen AG erarbeitet Alternativoptionen. Hierzu gehört auch die Möglichkeit einer Beteiligung der Volkswagen AG an einem Konzept Dritter.«