Auch klimapolitisch kann Sprache doppeldeutig sein. »Die nächste Bundesregierung wird eine Klimakatastrophen-Regierung«, schreibt Fridays for Future in einem am Donnerstag veröffentlichten Forderungskatalog zur Bundestagswahl.
Mit »Katastrophe« meinen die Aktivist*innen vordergründig den Zustand des Klimas, nicht nur, weil 2024 das heißeste Jahr bisher gewesen ist. Auch vier sogenannte Jahrhundertfluten sowie die 45 000 Hitzetoten in Europa zeigten, wie »die ökologische Realität schneller eskaliert, als wir hinterherkommen[1]«, sagte Carla Reemtsma bei der Präsentation der Forderungen.
Und besonders wenig – um nicht zu sagen: katastrophal wenig – kommen für die Klimaaktivist*innen die im Februar zu Wahl stehenden Parteien hinterher. Die Wahlprogramme von drei dieser Parteien[2] nahm sich Reemtsma dabei konkret vor. Die SPD versuche, ihre Variante von sozialdemokratischem Klimaschutz zu präsentieren. Zugleich vergesse die Partei, dass Klimaschutz vor allem bedeute, Emissionen zu reduzieren. Das funktioniere nur mit einem Ausstieg aus den Fossilen. »Das Ende von Kohle, Öl und Gas findet keinerlei Erwähnung im SPD-Wahlprogramm«, kritisierte die Sprecherin scharf.
»Das Ende von Kohle, Öl und Gas findet keinerlei Erwähnung im SPD-Wahlprogramm.«
Carla Reemtsma Fridays for Future
Das Klimaprogramm der Union sei einer Volkspartei unwürdig, fasste Reemtsma kurz und bündig zusammen. CDU und CSU wollten zurück zu noch mehr Klimazerstörung und verweigerten sich jedweder Klima-Verantwortung mit ihren Absagen an das Verbrenner-Aus, das Gebäudeenergiegesetz sowie den Kohleausstieg 2030.
Ins Gericht ging die Aktivistin auch mit den Grünen. Diese suchten den Eindruck zu erwecken, ein »Wohlfühl-Klimaschutz« oder ein »Weiter so« seien ohne große, substanzielle Veränderungen möglich. Auch drohe die Klimafrage vermeintlich notwendigen Wahlkampf- oder Koalitionsüberlegungen zum Opfer zu fallen, sagte Reemtsma.
Für sie wäre die Klimapolitik der Grünen glaubwürdiger, würde sie nicht durch den eigenen Kanzlerkandidaten infrage gestellt. Reemtsma bezog sich dabei auf diverse Erklärungen von Robert Habeck zum Jahresende, der avisierte Kohleausstieg für 2030 sei wohl nicht zu schaffen. Kohlekraftwerke könnten erst vom Netz genommen werden, wenn es genügend Alternativen gebe.
In dem Punkt gebe es speziell gegenüber der Gaslobby einen »Kuschelkurs«, kritisierte Reemtsma. Die Klimaaktivist*innen nehmen den zuletzt erstarkenden Einfluss der Gaslobby als besonders katastrophal wahr.
Nicht zufällig ist der Ausstieg aus der Nutzung von fossilem Gas eine ihrer sechs Forderungen zur Bundestagswahl. Teilweise sei Erdgas gefährlicher fürs Klima als Kohle. Hier mache sich bislang auch keine Partei ehrlich. Neuverträge mit der Gasbranche machten Deutschland überdies abhängig von anderen Staaten und von Autokraten.
Die Klimabewegung muss dabei selbst mit größerem politischem Druck zurechtkommen. Sie habe den Eindruck, so Reemtsma, je mehr die Klimakrise eskaliere, desto mehr eskaliere auch der Gegenwind gegen diejenigen, die etwas gegen die Klimakrise unternehmen, sowie gegen die Maßnahmen, die Schlimmstes verhindern sollten.
Auch Luisa Neubauer sieht einen Wandel in der gesellschaftlichen Stimmung. In der bundesdeutschen Demokratie, die sich als grün und ökologisch verstanden habe, sei inzwischen sichtbar geworden: Wenn nicht Aktivist*innen die Klimafrage in den Wahlkampf trügen, die Politik damit konfrontierten oder auf Parteitagen kritische Reden hielten, dann finde Ökologie gar nicht mehr statt, beschrieb die bekannte Aktivistin die Lage.
Im Moment erlebe der Klimaschutz eine Art Stunde der Wahrheit, so Neubauer weiter. Denn jetzt trete hervor, wie selbstgerecht, ja teilweise verlogen in den letzten sechs Jahren Klimapolitik gemacht worden sei, weil es gerade gepasst habe – in der Sekunde aber, wo man sich jetzt fürs Klima hätte stark machen müssen, werde das Thema zurückgezogen, analysierte sie.
Bei den Aktionen zur Bundestagswahl bleibt Fridays for Future bei klassischer Kampagnenarbeit und stellte am Donnerstag Plakate dafür vor. Beim Klimaschutz sei demokratischer Massenprotest noch immer das »schärfste Schwert«, hieß es dazu. Geplant sei, an vielen Orten auf die Straße zu gehen und Spitzenpolitiker*innen auf Podien zu konfrontieren. Am 14. Februar soll es einen bundesweiten Klimastreik geben.