Fälle vor Arbeitsgerichten sind eigentlich immer Einzelfälle, weil Menschen unter ganz verschiedenen Bedingungen ihr Geld verdienen. Aber natürlich gibt es hier und da Fragen, die grundlegende Bedeutung haben oder zu haben scheinen – so wie diese hier, die gerade für Thüringen und Ostdeutschland eine große Relevanz haben.
Immer weniger Menschen haben dort ein Problem damit, sich offen zur AfD zu bekennen – jener Partei also, deren Thüringer Landesverband seit Jahren vom Thüringer Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft wird. Die grundlegende Frage, um die es hier geht, lautet also, etwas abstrakt: Darf ein Teil der Landesverwaltung ein AfD-Mitglied einstellen, wenn ein anderer Teil der Landesverwaltung AfD-Mitglieder als Rechtsextremisten einstuft?
Und konkret, in diesem Einzelfall: Darf das Thüringer Landesverwaltungsamt – ein Teil der Landesverwaltung – einen gelernten Krankenpfleger mit AfD-Parteibuch als Sachbearbeiter für die Heimaufsicht einstellen, wenn der Verfassungsschutz – ein anderer Teil der Landesverwaltung – AfD-Mitglieder unter anderem in seinem jährlichen Bericht zum rechtsextremen Personenkreis im Land zählt, der nach der Lesart des Nachrichtendienstes nicht fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht?
Der Mann, um den es in diesem konkreten Fall geht, ist dabei nicht nur einfaches Parteimitglied. Er sitzt sogar für die AfD im Kreistag des Kyffhäuser-Kreises in Nordthüringen.
Der Mann sei ungeeignet, für den Freistaat zu arbeiten, eben weil er einer als rechtsextrem eingestuften Partei angehört.
Dass sich diese Frage überhaupt stellt, hat natürlich eine Vorgeschichte – eine, die davon erzählt, dass in der Landesverwaltung immer wieder mal die linke Hand nicht so recht weiß, was die rechte tut.
Und diese Vorgeschichte geht so: Der AfD-Mann hatte sich auf eine ausgeschriebene Vollzeitstelle in der Heimaufsicht des Landesverwaltungsamtes beworben, die mit einem Einstiegsgehalt von etwa 3300 Euro brutto bewertet ist. Das Landesverwaltungsamt hatte ihm nach Prüfung seiner Unterlagen eine Einstellungszusage geschickt. Dann allerdings hatte sich das dem Amt übergeordnete Thüringer Innenministerium in das Stellenbesetzungsverfahren eingeschaltet – und die Zusage widerrufen lassen. Immerhin, so lautet die Ansicht des Ministeriums, sei der Mann ungeeignet, für den Freistaat zu arbeiten, eben weil er einer als rechtsextrem eingestuften Partei angehört. Ohne diese Unkoordiniertheit würde sich die strittige Grundsatzfrage jedenfalls in diesem Einzelfall wohl gar nicht stellen.
Gegen die Zurückziehung der Einstellungszusage wehrt sich der AfD-Mann nun jedenfalls vor dem Arbeitsgericht Erfurt – wobei das Gericht voraussichtlich im Juli eine Entscheidung in dieser Sache zu dieser Frage treffen wird. Denn vor wenigen Tagen ist der Versuch einer gütlichen Beilegung dieses Streits bei einem Termin vor der zuständigen Kammer dieses Gerichts gescheitert.
Der AfD-Mann wolle weiterhin beim Freistaat angestellt werden, sagte sein Anwalt, der allerdings auch deutlich machte, dass es seinem Mandanten nicht primär um diese spezielle Stelle in der Heimaufsicht gehe. Der AfD-Mann könne sich auch vorstellen, einen anderen Job beim Freistaat zu übernehmen als den, für den er sich ursprünglich beworben hatte. Der Jurist bat den Rechtsvertreter des Landes, zu prüfen, ob es eine »irgendwie im Ansatz vergleichbare Beschäftigung« beim Freistaat geben könne. Der Rechtsvertreter des Freistaats versprach, diese Frage weiterzureichen. »Wir nehmen das mit, ich werde mich bei Ihnen melden.«
Die Chancen, dass der Freistaat den AfD-Kreisrat auf dieser oder einer anderen Position einstellen wird, dürften allerdings ziemlich gering sein. Denn auch wenn das Arbeitsgericht der Landesverwaltung im Zuge eines Eilverfahrens schon vor einigen Wochen untersagt hatte, den Job in der Heimaufsicht zu vergeben, bis dieser Streit zumindest in dieser ersten Instanz entschieden worden ist – während des Gütetermins machte der Vorsitzende Richter der zuständigen Kammer auch deutlich, dass er es für kaum wahrscheinlich hält, dass sich der AfD-Mann erfolgreich auf die ausgeschriebene Stelle klagt. Jedenfalls nicht vor dem Arbeitsgericht Erfurt. Was in einer weiteren Instanz passiert, ist wie so oft vor Gericht einigermaßen offen.
»Beschäftigung gibt es, wenn man einen Vertrag geschlossen hat«, sagte der Vorsitzende Richter. Während der bisherigen Erörterung dieses konkreten Falles habe die Kammer bereits deutlich gemacht, dass sie einen solchen Vertrag für noch nicht geschlossen halte, weil es für den AfD-Mann eben nur eine Einstellungszusage, aber noch keinen unterschriebenen Arbeitsvertrag gab.