Die Karriere von Sajfiddin Tadschibojew hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Seit Anfang Januar ist der 41-Jährige Chef des Führungsstabs im syrischen Verteidigungsministerium. Sein letztes offizielles Amt in seiner Heimat Tadschikistan[1] klang noch wesentlich bescheidener. 2012 war er Vorsitzender der Islamischen Partei der Wiedergeburt im Rajon Spitamen in der Hochgebirgsregion Istrawschan.
Doch seit 2012 steht Tadschibojew wegen Terrorismus und Söldnertum auf der Fahndungsliste. Tadschikistans Behörden werfen ihm die unmittelbare Beteiligung an Konflikten in anderen Staaten vor. Im syrischen Bürgerkrieg soll er den militärischen Flügel der militanten Salafistengruppierung Jamaar al-Tawhid wal-Jihad (JTJ) kommandiert und es dort bis zum Oberst gebracht haben. Die JTJ rekrutierte ihre Kämpfer mehrheitlich aus den Staaten Zentralasiens.
Tadschikistan ist geprägt von regionalen Konflikten, die noch aus der Sowjetzeit stammen. Die Menschen im Hochland, von wo auch Tadschibojew stammt, lebten und leben vom Anbau von Aprikosen und Mandeln, die von den Usbeken im Flachland verkauft werden. Die Usbeken wiederum versorgen die Bergregionen mit Produkten aus den Städten. Es entstand eine gegenseitige Abhängigkeit, aber auch Feindschaft, erklärt der Soziologe und Historiker Nikolai Mitrochin im Gespräch mit »nd«.
Tadschibojews Karriere in Tadschikistan ist ein Nachklang des Bürgerkrieges, den er als Kind erlebte. Zwischen 1992 und 1997 kämpften Gruppierungen aus verschiedenen Regionen um die Macht im Land. Mindestens 60 000 Tote hatte das ärmste Land im postsowjetischen Raum zu beklagen.
Der Krieg endete mit einem Ausgleich: Die Macht behielt Präsident Emomali Rahmon, die Opposition sollte an der Macht beteiligt sein, die rebellischen Regionen erhielten Quoten am Baumwollexport. Die Islamische Partei der Wiedergeburt Tadschikistans wurde für lange Jahre zur einzigen legalen islamistischen Partei im postsowjetischen Raum.
Seit 2010 erstarkte Präsident Rahmon, der seit 1994 ununterbrochen regiert und dessen Volksdemokratische Partei bei allen Wahlen die absolute Mehrheit holt, zunehmend, sagt Mitrochin, der Tadschikistan seit den 90ern regelmäßig als Forscher und Wahlbeobachter besucht. Die Vertreter jeglicher Opposition wurden seitdem fast überall verdrängt. An ihre Stelle traten Personen aus Rahmons Heimatregion Kulob.
Gleichzeitig, erläutert Mitrochin weiter, verschärften sich die Repressionen gegen religiöse Kreise. Was dazu führte, dass die Anhänger der Islamischen Partei der Wiedergeburt entweder hinter Gittern landeten oder ins Ausland flohen. Vor allem jüngere Parteimitglieder haben sich teilweise radikalisiert. 2015 wurde die Partei verboten. Zu diesem Zeitpunkt soll Tadschibojew bereits ausgetreten sein und sich nach Syrien abgesetzt haben.
Tadschikistans rasant wachsende Bevölkerung ist massiv von den Überweisungen der Arbeitsmigranten abhängig[2]. Doch in Russland wachsen seit dem Anschlag in der Crocus City Hall bei Moskau im März 2024 mit 145 Toten rassistische Ressentiments und staatliches Misstrauen vor allem gegenüber Tadschiken. Russlands Behörden sehen in ihnen potenzielle Helfer des ukrainischen Geheimdienstes[3].
Für Tadschibojew und seine Mitstreiter ist der Moment gerade günstig, um Nachwuchs anzuwerben. Russland steht hingegen vor dem Dilemma, gute Beziehungen zur neuen syrischen Regierung aufbauen zu wollen und zugleich Rahmon als Verbündeten an seiner Seite zu sichern. Und für den tadschikischen Staat ist Tadschibojew nach wie vor ein gesuchter Verbrecher.