Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat seinen Parteitag am Sonntag in Bonn als kämpferischen Wahlkampfauftakt[1] zelebriert. Nach den Erfolgen im letzten Jahr soll die Bundestagswahl den nächsten Paukenschlag bringen. Mit großer Mehrheit wurde ein Wahlprogramm beschlossen, zu dessen wesentlichen Elementen eine verschärfte Migrationspolitik, eine Mindestrente, die Steigerung des Mindestlohns auf 15 Euro und die Wiedereinführung der Vermögensteuer sowie der Import von billigem russischen Erdgas gehören.
Der Versuch, das Wahlprogramm mit sozialpolitischen Forderungen nachzubessern, wurde ausgebremst. Ralf Krämer, Gewerkschafter und schon in der Linken ein sozialpolitischer Aktivist, wollte beispielsweise einen höheren Spitzensteuersatz und die Sozialversicherungspflicht für Minijobs verankern, wurde aber auf die künftige Debatte zum Parteiprogramm vertröstet. Krämer setzte sich schon in der Gründungsphase des BSW für das Ziel ein, den Kapitalismus zu überwinden. Damit steht er in seiner neuen Partei ziemlich allein.
Außenpolitisch will das BSW eine baldige Waffenruhe in der Ukraine, und es wendet sich gegen weitere milliardenschwere Aufrüstung[2]. Interessant ist, dass Wagenknecht sich bei ihrer Kritik an der Bundesregierung auf frühere »Politiker mit Rückgrat« berief, unter ihnen Helmut Schmidt. Der allerdings setzte als Bundeskanzler die Stationierung von Nato-Raketen in Deutschland durch. Zu den namhaften Kritikern gehörte damals Oskar Lafontaine.
Die Gute-Laune-Parteitagsregie[3] kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Partei mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Umfragewerte sind seit dem Sommer deutlich zurückgegangen. Heute muss das BSW darum kämpfen, über fünf Prozent zu bleiben. In der Konsequenz wurde auf dem Parteitag ein neuer politischer Gegner markiert: Während gerade Wagenknecht bisher eine gewisse Nachsicht gegenüber der AfD walten ließ und sich für einen sachlichen Umgang einsetzte, schlug sie nun scharfe polemische Töne an.
Der spürbare Rückgang der Umfragewerte hat auch mit internen Streitigkeiten zu tun, die hier und da an die Öffentlichkeit dringen. Bemerkenswerter ist, dass es nach der akribischen Auswahl der bislang wenigen Mitglieder durch die Parteispitze selbst überhaupt zu Kontroversen kommt. Die haben ihren Grund darin, dass viele BSW-Anhänger, die gern Mitglied wären, seit etlichen Monaten draußen bleiben müssen. Und dass alle wesentlichen Entscheidungen möglichst ohne offene Debatte von der Zentrale vorgegeben werden.
Gegen diese Zustände hat sich nun ein inzwischen ehemaliges BSW-Mitglied in einem Brief an Sahra Wagenknecht gewandt. Torsten Teichert aus Hamburg kritisiert darin den von Wagenknecht betonten konservativen Zug des BSW, den »neuen Führerkult«, undemokratische Strukturen, »Hetze gegen Ausländer, Asylbewerber und Migranten«, eine »historisch idiotische Lobpreisung des deutschen Mittelstands« und eine Spaltung der gesellschaftlichen Linken. Auf dem Parteitag spöttelte Wagenknecht über interne Kritiker: »Jeder No-Name bekommt eine Bühne und eine Zeitungsseite.« Teichert ist allerdings kein No-Name: Er war Mitarbeiter des SPD-Politikers Klaus von Dohnanyi, der wegen Wagenknechts Haltung zum Ukraine-Krieg mit dem BSW sympathisiert. Genau deshalb dürfte Teichert mit Kusshand als Mitglied aufgenommen worden sein.
Nach der Bundestagswahl müsse sich das BSW öffnen, sagte Oskar Lafontaine auf dem Parteitag am Wochenende, weitere Unterstützer müssten als Mitglieder aufgenommen werden, die Partei müsse stärker werden. Ähnlich hatte das schon Wagenknecht angekündigt. Das wird unvermeidlich sein – wie auch die damit einhergehenden Konflikte.