Als kürzlich zu Silvester auf dem Frankfurter Opernplatz schon vor Einbruch der Dunkelheit eine äußerst ausgelassene Stimmung herrschte und im Szenelokal »Papa Enj« die ersten Schlager auflegt wurden, feierte eine bunte Sportlerschar fast unerkannt mit. Pascal Hens, der ehemalige Handballstar war ebenso zugegen wie Axel Hellmann, der aktuelle Vorstandschef von Eintracht Frankfurt. Auch RB Leipzigs Trainer Marco Rose und Sandro Schwarz, Coach bei New York Red Bulls, waren dabei. Hätte nur noch gefehlt, dass sich auch der bald in seinem neuen Domizil in Wiesbaden wohnende Jürgen Klopp noch dazugesellt, dann wäre die Troika mit gemeinsamen Anfängen beim FSV Mainz 05[1] bereits zum Jahreswechsel vereint gewesen.
So aber fügt sich erst dieser Tage, was offenbar zusammengehört. Klopp hat sich als neue Fußball-Überfigur im Red-Bull-Kosmos am Montag mit Marco Rose[2] auf dem Vereinsgelände am Cottaweg ausgetauscht und die Akademie besichtigt. Am Vortag hatte der 57-Jährige das 4:2 der Leipziger im Bundesligaspiel gegen Werder Bremen auf der Tribüne verfolgt. Seine Anwesenheit vermeldete jede Nachrichtenagentur im Vorspann, obwohl der gelungene Jahresstart der Fußballer eigentlich genügend Gesprächsstoff geliefert hätte.
Aber Klopps breites Grinsen[3] zieht ja auch in jedem Werbespot. Am Freitag hatte der neue Head of Global Soccer noch den Eishockey-Cracks von Red Bull München zugeschaut, tags darauf erspähte man ihn beim französischen Zweitligisten FC Paris gemeinsam mit dem Technischen Direktor Mario Gomez, der mit Klopp künftig ein gemeinsames Büro in München direkt am Englischen Garten beziehen soll.
Wie das alles sich im Detail ausgestalten wird, auch dazu dürfte die Kultfigur am Dienstag bei einer Vorstellungsrunde im Salzburger Hangar 7 befragt werden. Nicht fehlen darf bei diesem Medienevent natürlich Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, der den insbesondere in Deutschland kritisch betrachteten Nachfolgejob für den Erfolgscoach vom FC Liverpool[4] eingefädelt hat. Insbesondere dem früheren Leichtathleten hilft es natürlich, dass die Kicker von RB Leipzig zumindest national wieder halbwegs in die Spur gekommen sind.
Das Versagen auf internationaler Bühne lässt sich nicht mehr korrigieren. Um das Champions-League-Aus[5] abzuwenden, kam Klopp zu spät. Der neue Vordenker und Türöffner soll sich übrigens in der veritablen Schaffenskrise der Sachsen sehr für Roses Verbleib eingesetzt haben. Der Leipziger Coach und Schwarz gehören in Zukunft zu Klopps wichtigen Ansprechpartnern, wobei sich Rose eine gewisse Abgrenzung wünschen würde: »Es wäre wichtig, wenn wir an den Standorten täglich unsere Arbeit machen können, ohne das wir ständig schauen, was macht Jürgen Klopp. So versteht er seine Rolle auch nicht, glaube ich.«
Der 48-jährige Rose und der zwei Jahre jüngere Schwarz haben, auch unter Klopp, eine prägende Zeit als Spieler im alten Mainzer Stadion am Bruchweg verbracht, sind dann im Anschluss Trainer geworden, wobei Rose das Sprungbrett über Red Bull Salzburg[6] nahm, während Schwarz noch mit den Nullfünfern zum Coach einer Erstligamannschaft aufstieg. Wohl keiner aus dieser Troika hätte jemals gedacht, dass ihre Wege über Stationen in Mainz, Dortmund und Berlin, Salzburg, New York oder Liverpool jemals so zusammenfinden.
Dass der sportaffine Getränkekonzern inzwischen auch nach Japan, Brasilien, England und Spanien expandiert, weil sich Vereine wie Omiya Ardija[7] und Bragantino in RB-Besitz befinden und Klubs wie Leeds United und Atletico Madrid nichts gegen einen Anteilsverkauf oder ein Sponsoring haben, macht Klopps Aufgabenbereich zur globalen Herausforderung. Aber wenn einer für ein übergreifendes Thema begeistern kann, dann ja wohl dieser universelle Menschenfänger.
Klopp hat sich schon früher nicht abfällig über das Fußball-Engagement des Red-Bull-Konzerns geäußert, der vor über 40 Jahren von Dietrich Mateschitz und Chaleo Yoovidhya gegründet wurde und heute deren beiden Söhnen gehört, die je 49 Prozent der Anteile halten. Beide sind in das Tagesgeschäft kaum involviert, dennoch wird der Konzern mit einem Jahresumsatz von mehr als zehn Milliarden Euro ganz im Sinne der Gründungsväter geführt. Schon vor fünf Jahren floss rund ein Drittel vom Gesamtumsatz ins Marketing. Damals wie heute ist der Sport ein Lockmittel, junge Menschen aus aller Welt für das süße Produkt zu begeistern. Der gebürtige Schwabe Klopp macht da jetzt mit.
Spannend wird sein, wie seine Botschaften in deutschen Stadien verfangen. Schmähplakate hingen ja nicht nur in Kiel, sondern auch in Dortmund und Mainz – dort, wo Klopp ein Vermächtnis für die Ewigkeit hinterlassen hat. Trotzdem fühlten sich die Fankurven getäuscht. Vielleicht will Klopp deren Sympathien auch gar nicht, sondern einfach zeigen, dass sein Wissen, seine Überzeugung, seine Aura und seine Erfahrung so groß sind, dass er nicht mal mehr Trainer sein muss, damit sich im internationalen Fußball nachhaltig Erfolg einstellt. Und dann werden die nun Wiedervereinten auch gemeinsam feiern.