An diesem Mittwoch ist der Stichtag für die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) – jedenfalls für die gesetzlichen Krankenkassen. Sie richten nun für jeden gesetzlich Versicherten eine solche Akte ein, wenn vorher nicht widersprochen wurde. Viel mehr wird zunächst nicht passieren. Trotz bestehender Terminprobleme verspricht unter anderem das Bundesgesundheitsministerium weiterhin das Blaue vom Himmel, was die ePA an Fortschritt für die Digitalisierung im Gesundheitswesen bringen wird. Optimistisch zeigt sich auch die ausführende Gesellschaft, die 2005 gegründete Gematik. Die GmbH ist für die Digitalisierung im Sektor zuständig[1]. 51 Prozent der Geschäftsanteile hält das Gesundheitsministerium, den Rest teilen sich diverse Spitzenverbände von Ärzten, Kassen, Krankenhäusern und Apotheken.
Die ePA soll eines Tages Befunde, Arztberichte, Informationen über Impfstatus und Allergien sowie die aktuelle Medikation enthalten. All diese Daten sollen auf diesem Weg für den Patienten transparent gemacht werden und den Behandlern einen schnellen Überblick ermöglichen. Die Akte soll Doppelverordnungen und Medikationsfehler vermeiden[2] helfen und zu einer gezielten Notfallversorgung beitragen. Außerdem geht es um Bürokratieabbau und nicht zuletzt um die Zusammenführung von Daten für die Forschung.
Bis zu zehn Prozent der Bevölkerung sind von der selbstständigen Nutzung der ePA ausgeschlossen, weil sie keinen Rechner oder kein Smartphone besitzen.
-
Doch mit der Realisierung dieser Ziele dürfte es noch dauern. Denn bundesweit mit den Patientendaten befüllt werden die Akten frühestens Mitte Februar – oder auch später. Nach früheren Plänen sollte das zum 15. Januar erfolgen, die Reißleine wurde aber schon im letzten November gezogen. Zu diesem Zeitpunkt verkündete Susanne Ozegowski, Abteilungsleiterin Digitalisierung im Gesundheitsministerium, einen zeitlichen »Verzug in der Entwicklungs-Roadmap«. Der Grund damals war vor allem, dass die Hersteller von Praxis-Verwaltungs-Software (PVS) noch keine Testumgebungen für die ePA hatten, wofür die Gematik zuständig ist. Diese Testmöglichkeiten wurden erst seit Anfang Dezember bereitgestellt, wobei die Hersteller das betreffende System als instabil kritisierten. Inzwischen hat auch der Chaos-Computer-Club Ende des Jahres Sicherheitsprobleme nachgewiesen.
Statt des allgemeinen Starts gibt es nun also noch eine mindestens vier Wochen dauernde Pilotphase. Diese ist auf Franken und Hamburg begrenzt, von wo man sich offensichtlich Unterstützung – etwa durch die in Hamburg sitzende Techniker-Krankenkasse verspricht, die ein früher Befürworter der ePA ist. Zusätzlich nimmt die Region Nordrhein teil. Insgesamt 300 Gesundheitseinrichtungen sind einbezogen. Für diese wird der Zugriff auf die Akten ihrer Patienten freigeschaltet.
Bis zum 15. Februar sollen alle Sicherheitsprobleme behoben sein. Dass das gelingt, wird von vielen Seiten angezweifelt, Kritiker halten die Pilotphase für einen Versuch der Schadensbegrenzung. Auffällig war hier die Wortwahl seitens des Gesundheitsministeriums: Der bundesweite Rollout solle ab 15. Februar oder »kurz danach« erfolgen, und auch »frühestens« dann für medizinische Einrichtungen verpflichtend sein. Ein weiterer Hinweis auf absehbare Verzögerungen ist, dass die Abrechnung der Erstbefüllung der Akte für die Praxen nun bis zum Jahresende 2025 verlängert wurde. Auch Sanktionen für Ärzte und Psychotherapeuten, die eigentlich bis 15. Januar ihr ePA-Modul installiert haben sollten, soll es nun voraussichtlich erst ab dem zweiten Quartal 2025 geben.
Einmal vorausgesetzt, dass alle Probleme behoben sind und die Akte als elektronischer Speicher wie gewünscht funktioniert: Welche Möglichkeiten bringt das für die Versicherten mit sich? Die erste Option ist auch nach dem 15. Januar, der Einrichtung einer ePA zu widersprechen. Das kann teils über eigene Formulare der gesetzlichen Krankenkassen erfolgen. Außerdem gibt es die Webseite widerspruch-epa.de mit hilfreichen Informationen. Die von den Kassen erfasste Widerspruchsquote lag Ende 2024 im niedrigen einstelligen Bereich.
Wer sich jedoch für die Nutzung der ePA entschieden hat, kann immer noch direkt bei der Behandlung der Einstellung und Nutzung von Daten widersprechen. Außerdem soll das auch in der App oder bei der Ombudsstelle der Krankenkasse möglich sein. Grundsätzlich benötigen Versicherte zur Einsicht in ihre Akte, zum aktiven Sperren von Dokumenten für Behandler oder auch zum Einpflegen eigener Daten (wie etwa alter Befunde oder von Daten aus Gesundheits-Apps) einen PC oder ein Smartphone. In Bezug auf diese Endgeräte sind bis zu zehn Prozent der Bevölkerung von der selbstständigen Nutzung der ePA ausgeschlossen, weil sie diese nicht nutzen oder besitzen.
Die Probleme, die Ärzteverbände aktuell bei der ePA sehen, betreffen vor allem den erwarteten Mehraufwand. Unzufriedenheit mit Anbietern von Praxissoftware besteht schon länger. Jetzt befürchten vor allem Niedergelassene, dass die Telematik-Infrastruktur nicht reibungslos funktionieren wird. Auch der Erklärungsbedarf gegenüber Patienten könnte hoch sein. Zudem zweifeln die Mediziner daran, dass etwa als PDF gespeicherte Arztbriefe oder Befunde überhaupt praktikabel sind. Eine von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geforderte Volltextsuche soll es nach aktuellem Stand erst ab 2026 geben. Das weist auf Probleme hin, die momentan verhindern dürften, dass die Forschung schon allzuviel mit den ePA-Daten anfangen kann, ungeachtet dessen, dass hier aus Pharma-Industrie und Wissenschaft hohe Erwartungen verkündet werden.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188235.digitalisierung-epa-verzoegerung-durch-pilotphase.html