Wenige Wochen vor der Bundestagswahl schwächelt die Konjunktur in Deutschland[1] weiter. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) war im Jahr 2024 nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) real, also preisbereinigt, um 0,2 Prozent niedriger als im Vorjahr. Kalenderbereinigt betrug der Rückgang der Wirtschaftsleistung ebenfalls 0,2 Prozent. »Konjunkturelle und strukturelle Belastungen standen einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung im Wege«, sagte Destatis-Präsidentin Ruth Brand während einer Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin. »Dazu zählen zunehmende Konkurrenz für die deutsche Exportwirtschaft auf wichtigen Absatzmärkten, hohe Energiekosten, ein nach wie vor erhöhtes Zinsniveau, aber auch unsichere wirtschaftliche Aussichten.«
Damit ist die hiesige Wirtschaftsleistung nach 2023 zum zweiten Mal in Folge gesunken. Unter den großen Ländern innerhalb der Europäischen Union bildet Deutschland damit das Schlusslicht.
Auch die Aussichten für dieses Jahr erscheinen eher in düsteren Farben. »Die deutsche Wirtschaft befindet sich in schwierigem Fahrwasser«, fasst die volkswirtschaftliche Abteilung der Industriegewerkschaft Metall die ökonomische Lage des Landes zusammen. Die Winterprognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute fallen deutlich schlechter aus als noch im Herbst. Für 2025 wird bestenfalls ein schwaches Wachstum zwischen null und 0,6 Prozent[2] erwartet. Ein stabilisierender Faktor ist der private Konsum[3], der durch zuletzt steigende Realeinkommen begünstigt wurde – trotz eingetrübten Arbeitsmarktes. Das könnte die Investitionsschwäche teilweise kompensieren, hofft die Gewerkschaft.
Allerdings hatten die Verbraucher angesichts vieler wirtschaftlicher sowie politischer Ungewissheiten und trotz oder wegen der Inflation lieber (zu) viel gespart, statt ihr Geld großzügig für den Konsum auszugeben. Die Sparquote in Deutschland ist mit über zehn Prozent des verfügbaren Einkommens im internationalen Vergleich weit überdurchschnittlich, zeigen die Daten der Industriestaatenorganisation OECD. Die hiesigen Verbraucher legen doppelt so viel ihres Einkommens auf die hohe Kante wie etwa die in den Vereinigten Staaten, wo die Wirtschaft im vergangenen Jahr vergleichsweise stark wuchs (2,7 Prozent).
Hoffnung für 2025 kann immerhin aus einigen Anzeichen wie dem Frühindikator »Early Bird« geschöpft werden, der auf Umfragen unter Unternehmen und Finanzexperten beruht. Der »frühe Vogel« setzte seinen langsamen Steigflug der letzten Monate im Dezember fort. Zugleich verkaufte der Einzelhandel saisonbereinigt zuletzt besser und die Exporte legten zu, allerdings jeweils in bescheidenem Umfang.
Angeschoben wird dies vor allem durch die gelockerte Geldpolitik der Europäischen sowie anderer wichtiger Zentralbanken und eine stärkere Konjunktur im Ausland. Allerdings dürften die Zinssenkungen erst in der zweiten Jahreshälfte ihre Wirkung auf die deutsche Wirtschaft voll entfalten.
Doch so wichtig Prognosen von Forschungsinstituten und Großbanken als Orientierungshilfen für Politik und Wirtschaft sind, sie liegen oft daneben. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung gehörte zu den wenigen Einrichtungen, die für 2024 eine schrumpfende deutsche Ökonomie vorhergesagt hatten. Ausnahmen bildeten auch Prognosen der Deutschen Bank und der Commerzbank. Ihr Pessimismus wich deutlich von den großen Wirtschaftsforschungsinstituten ab, die ein Wachstum prognostiziert hatten.
Würden IMK-Chef Sebastian Dullien und seine Volkswirte 2025 erneut richtig liegen, wäre dies kein wirklicher Grund zur Freude. In seiner aktuellen Konjunkturprognose für dieses Jahr sagt das IMK nur ein minimales Wirtschaftswachstum um 0,1 Prozent voraus.
Mit dem Wahlsieg Donald Trumps, dem Ampel-Aus in Berlin und dem Scheitern der französischen Regierung Michel Barnier hat sich die wirtschaftspolitische Unsicherheit noch einmal deutlich verstärkt. Die angedrohte Zollpolitik des künftigen US-Präsidenten erhöht die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Stagnation. Wichtig dürfte auch sein, ob die Politik in Berlin nach den Neuwahlen im Februar die Konjunktur- und Strukturkrise angeht und Zuversicht stiftet.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188267.wirtschaftsflaute-kein-wachstum-unter-dieser-nummer.html