Mit seiner Aktion »Kartentausch« unterläuft das Bündnis »Offen!« in Bayern seit einem halben Jahr die Flüchtlingspolitik der CSU-Regierung. Bürger können sich an Tauschstellen melden und dort von Geflüchteten mit ihrer Bezahlkarte[1] in Supermärkten erworbene Gutscheine kaufen und in bar bezahlen. Geflüchtete erhalten dann das Geld. Jetzt wehrt sich das Bündnis gegen Versuche der Landesregierung, ihr Tun zu kriminalisieren[2]. »Nichts ist strafbar, alles ist absolut legitim«, betonte Matthias Weinzierl von der Kampagne am Montag auf einer Pressekonferenz in München. »Der Staat will uns den Mund verbieten. Das können wir uns nicht gefallen lassen.«
Dem Bündnis haben sich rund 200 Organisationen und Institutionen angeschlossen, die in ganz Bayern Tauschorte organisieren beziehungsweise zur Verfügung stellen. Allein in München sind es sechs.
Wie das funktioniert, erklärte Lara Winter vom Wohnprojekt Ligsalz 8, einem dieser sechs Tauschorte. Es gibt einen Tauschtag in der Woche, an dem jeweils zwischen 80 und 100 Menschen mit Gutscheinen kommen. Der Ablauf: Die Geflüchteten kaufen sich mit der Bezahlkarte in Läden wie Rewe, Lidl, Aldi oder DM Einkaufsgutscheine im Wert von 50 Euro. Dafür erhalten sie dann in den »solidarischen Wechselstellen« Bargeld in entsprechender Höhe. Das Geld kommt von Bürgern, die wiederum in den »Tauschläden« Gutscheine mitnehmen. Betreut werden die Einrichtungen ausschließlich von ehrenamtlich Engagierten.
Der Hintergrund: Bayern war eines der Bundesländer, die den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zur bundesweiten Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete besonders schnell umsetzte. Das propagierte politische Ziel: Die »Anreize« für Menschen zu minimieren, in Deutschland Asyl zu beantragen. Zugleich soll damit laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der Geldhahn für Schleuser und Schlepper zugedreht, Überweisungen ins Ausland sollen erschwert werden.
Damit blockiere man aber die Integration Geflüchteter, warnt Antonia Veramendi, Leiterin der Schule Campus di Monaco. Ohne Bargeld werde das Leben der Flüchtlinge erschwert, die Kinder könnten sich zum Beispiel in der Pause keine Brotzeit mehr kaufen. Für Weinzierl bedeutet die Einführung der Bezahlkarte, dass quasi alle Flüchtlinge unter Verdacht gestellt würden.
Der bayerischen Staatsregierung war die Tauschinitiative von Anfang an ein Dorn im Auge. Juristisch konnte sie den Engagierten jedoch bislang nichts anhaben. Mehrere Staatsanwaltschaften, so berichteten die Aktiven am Montag, hätten erklärt, dieses Vorgehen sei strafrechtlich nicht angreifbar.
Nun aber werde unter anderem versucht, die am Bündnis beteiligten Organisationen durch die Drohung, ihnen öffentliche Mittel zu entziehen, einzuschüchtern. Angesichts des Wahlkampfes habe sich der Ton »massiv verschärft«, berichtete Weinzierl. Er bezog sich unter anderem auf Äußerungen aus der CSU auf deren Klausurtagung in Kloster Seeon[3] Anfang Januar. In einem dort verabschiedeten Papier heißt es: »Wir werden es deshalb entschieden unterbinden, dass sich jetzt eine linke Umgehungs-Industrie formiert und dass Flüchtlinge mit der Bezahlkarte Gutscheine kaufen, um diese dann in sogenannten Tauschbörsen, beispielsweise in Kreisgeschäftsstellen der Grünen, gegen Bargeld einzutauschen, das in die Heimatländer überwiesen werden kann.«
Weinzierl verwies auch auf einen Antrag der CSU im Münchner Stadtrat, in dem gefragt wurde: »Ist bei einer weiteren Unterstützung der Kampagne eine Auswirkung auf die Zuschussgenehmigung möglich?« Es soll also nach Möglichkeiten gesucht werden, Zuschüsse für Gruppen zu streichen, die sich im Bündnis engagieren.
Über ein konkretes Beispiel für Reaktionen berichtete eine Mitarbeiterin des Münchner Radios Lora. Der Sender hatte über die Tauschorte berichtet. Nun wurden die Rundfunkmacher von der für sie zuständigen Bayerischen Landeszentrale für neue Medien aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. Es liege eine Beschwerde vor. Auch die AfD versuche, so Weinzierl, »unsere Tätigkeit zu kriminalisieren«. Er hingegen erwarte Respekt für die ehrenamtliche Arbeit: »Niemand soll Angst vor dem Engagement haben müssen.«