»In Boston merkst du die Dynamik des Kapitals auf den Straßen«, sagt der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Gespräch mit der Wissenschaftlerin Elisa Kieback am Dienstag. Kieback ist Mitgründerin des Start-ups »T-Knife«, dass Therapeutika zur Krebsbekämpfung entwickelt. Kieback und Wegner sprechen über den wissenschaftlichen Fortschritt des Unternehmens und darüber, dass T-Knife 200 Millionen Dollar Risiko-Kapital einwerben konnte und damit zu den bestfinanzierten deutschen Start-ups in der Biotech-Szene gehört.
Das Gespräch zwischen dem Bürgermeister und der Wissenschaftlerin findet während des Besuchs des Senats am Zukunftsort Buch statt. Wo zu DDR-Zeiten die Akademie der Wissenschaften saß, ist heute Wissenschafts- und Technologiestandort, an dem die meisten Englisch sprechen. Auf einem 32 Hektar großen Campus arbeiten rund 6500 Menschen in der Biomedizin und Gesundheitswirtschaft. Der Zukunftsort Buch ist einer von elf in Berlin. Laut einer Studie der Investitionsbank Berlin hat der Zukunftsort Buch rund 3,3 Prozent der Umsätze in der Gesundheitswirtschaft in Berlin generiert. Das entspricht 870 Millionen Euro.
Rund ein Drittel der Beschäftigten am Zukunftsort Buch seien keine Deutschen, sagt Christina Quensel, Geschäftsführerin des Gründerzentrum BerlinBioCube (BBC), das seinen Sitz auf dem Campus hat. In dem Gebäude ist neben vielen anderen auch T-Knife beheimatet, dessen Forschungsansatz bis in die frühen 2000er zurückgeht, wie Wissenschaftlerin Kieback erläutert. T-Zellen sind weiße Blutzellen, die der Immunabwehr dienen. T-Knife entnimmt Patient*innen jene Zellen und lässt sie außerhalb des Körpers mit Krebszellen in Kontakt treten. So lernen die Zellen, den Krebs zu erkennen und können diesen bekämpfen, wenn sie zurück in den menschlichen Körper gesetzt werden.
»Ich wünsche mir mehr Bereitschaft, privates Kapital in Berlin willkommen zu heißen.«
Kai Wegner Regierender Bürgermeister
71 Beschäftigte arbeiten bei dem 2020 gegründeten Start-up. Kieback sagt, dass die Produktion in Europa zwar günstiger sei, der Zugang zu dem US-Kapital aber entscheidend gewesen sei, um die Forschung zu betreiben. Wegner entgegnet ihr, dass er sich in Berlin mehr Bereitschaft wünsche, privates Kapital willkommen zu heißen. Auf seiner USA-Tour im November 2024 mit Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD)[1] besuchte der Bürgermeister verschiedene Unternehmen, darunter solche, die Krebsforschung in Boston betreiben. Giffey spricht in dem Zusammenhang auch vom »Boston an der Spree«: Man wolle Berlin als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort international attraktiver machen.
Das Problem ist nur: »Man kommt nicht hin«, wie Wissenschaftlerin Kieback über Berlin als Wissenschaftsstandort bemerkt. Wegner spricht in dem Zusammenhang seinen Wunsch für einen künftigen ostdeutschen Bundesverkehrsminister aus. Giffey betont, wie wichtig ihr »Konnektivität« sei. Tatsächlich ist der Zukunftsstandort Buch im Norden Berlins nur mit dem Bus erreichbar, der wenige Meter vor der brandenburgischen Grenze hält. Nicht nur die Unternehmen in Buch, sondern auch viele Pankower*innen wünschen sich eine bessere Anbindung an die S-Bahn, so Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) am Dienstag.
Buch bezeichnet sie als »Kleinod«: Nicht nur Wissenschaft und wirtschaftliche Attraktivität, sondern auch wertvolle Naturräume habe Buch zu bieten. Auf den Berliner Teil des Bucher Forsts entfallen 600 Hektar Wald. Neben der schlechten Anbindung spricht Koch von weiteren Herausforderungen im Bezirk Pankow. Dazu gehöre die Aufnahme vieler Geflüchteter in einer Gemeinschaftsunterkunft in der Storkower Straße[2] und in Buch selbst. Mit dem Senat wolle man sich in einer sogenannten Gemeinschaftsinitiative der Herausforderungen im Bezirk Pankow annehmen.
Wegner betont die Größe des Bezirks, in dem in den kommenden Jahren 22 Prozent der Neubauprojekte umgesetzt werden sollen. »Wir sagen ›Ja‹ zu neuen Wohnungen[3] und ›Ja‹ zu besserer sozialer Infrastruktur«, sagt der Regierende. Außerdem berichtet er der Presse davon, das Anwohnerparken in Berlin deutlich teurer machen zu wollen. Lediglich 10,20 Euro zahlen Anwohner*innen fürs ganzjährige Parken in der Hauptstadt. In Frankfurt am Main kostet der Ausweis 120 Euro.
Abschluss der Senatstour am Zukunftsstandort Buch ist der Besuch eines Schülerlabors. Das sogenannte Gläserne Labor gehört zu den ersten Schülerlaboren Deutschlands. Jährlich 14 000 Schüler*innen besuchen dort Kurse. Sie experimentieren mit Molekularbiologie, Wirkstoffchemie oder Radioaktivität und erhalten einen praktischen Einblick in die sogenannten MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Vom Grundschulalter bis zum Abitur bietet das Gläserne Labor Projektwochen, Vorlesungen, Praktika und Plätze im Freiwilligen Ökologischen Jahr für junge Menschen an.