Wenn es gegen ihre einstigen Mitverschwörer*innen ging, redete Isabell B. gerne und viel. Mehrfach schon hat die 38-Jährige als Zeugin[1] gegen Mitglieder der »Vereinten Patrioten« ausgesagt – jener Gruppierung, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen[2] und mit Sprengstoffanschlägen für einen wochenlangen Stromausfall im ganzen Land sorgen wollte. Seit Mittwoch muss sich die gelernte Köchin und Frisörin selbst vor dem Oberlandesgericht (OLG) Celle verantworten. Und schweigt erst einmal.
Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihr wegen ihres Engagements für die Umsturzpläne der »Vereinten Patrioten« – auch »Kaiserreichsgruppe« genannt – die »Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens« sowie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Anfang 2022 soll sie an mindestens zwei Treffen teilgenommen haben, bei denen der mehrstufige Plan diskutiert wurde, der in die Absetzung der Bundesregierung und die »Reaktivierung« des deutschen Kaiserreichs von 1871 münden sollte. Und bei dem auch Tote billigend in Kauf genommen worden seien. Von »Revolution« spricht Oberstaatsanwalt Karim Jouran, mit sehr deutlich hörbaren Anführungszeichen.
Isabell B., sagt er, sei dabei nicht bloß Mitwisserin, sondern Beteiligte gewesen. Sie habe Nahkampfschulungen durch einen befreundeten Trainer angeboten und gleich zum ersten Treffen einen Schlagring und einen Kubotan mitgebracht, eine stabförmige Schlagwaffe für den Nahkampf. Außerdem soll sie ihre Mitstreiter*innen auch in Sachen Internetsicherheit unterrichtet haben.
Als Zeugin in Koblenz hatte Isabell B. versucht, ihre eigene Rolle nach Kräften herunterzuspielen. Laut Anklage wirkte sie aktiv an der Vorbereitung der Pläne der »Patrioten« mit.
Zumindest Letzteres war allerdings mäßig erfolgreich: Die »Vereinten Patrioten« chatteten und telefonierten derart freimütig, dass die Ermittlungsbehörden aus dem Vollen schöpfen konnten. Bevor die Gruppe nach einem von der Polizei fingierten Waffendeal im April 2022 ausgehoben wurde, war sie schon monatelang überwacht worden, auch durch einen eingeschleusten verdeckten Ermittler.
Der Prozess gegen B. ist schon der siebte in diesem Komplex. In Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main und München wurden einzelne Mitverschwörer bereits verurteilt, zu Bewährungsstrafen oder wenigen Jahren Haft. Im Hauptprozess gegen die mutmaßlichen Rädelsführer*innen, der seit mehr als anderthalb Jahren vor dem OLG Koblenz geführt wird, hat die Bundesanwaltschaft dagegen bis zu acht Jahre und neun Monate Gefängnis gefordert.
Als Isabell B. in diesem Prozess als Zeugin auftrat, gab sie sich verantwortungsbewusst. Erst, sagte sie, habe sie die Umsturzpläne nicht ernst genommen – »Sie hatten doch sicher auch schon mal eine Schnapsidee!« Dann aber habe sie gemerkt, dass es immer konkreter geworden sei, und sich deshalb an die Polizei gewandt. Weswegen sie später bei einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung in Hildesheim von Unbekannten als Verräterin bedroht worden sei: »Wenn du was sagst, sagst du nie wieder was.«
Auch nach ihrem Gang zur Polizei besuchte die Angeklagte jedoch ein Treffen der »Vereinten Patrioten« bei dem greisen Neonazi Rigolf Hennig in Verden. Der notorische Shoah-Leugner hatte nach dem angestrebten Putsch neues Staatsoberhaupt werden sollen, war aber kurz nach dieser Zusammenkunft gestorben.
Als Zeugin in Koblenz hatte B. versucht, ihre eigene Rolle als Möchtegern-Umstürzlerin nach Kräften herunterzuspielen. Bei einem der mutmaßlichen Drahtzieher der »Vereinten Patrioten« klang das ganz anders: Sie habe die Pläne gekannt – und goutiert. »Sie fand gut, dass es etwas gibt, was das Deutsche wieder in den Vordergrund rückt«, sagte der Buchhalter und Ex-NVA-Offizier Sven B. Und sie habe sich wohl ein Deutsches Reich »in den alten Grenzen« gewünscht.
Die Frau aus dem niedersächsischen Algermissen und der Mann aus Brandenburg waren gut befreundet. Kennengelernt, sagte Isabell B., hätten sie sich als Admins der Telegram-Gruppe »Nationale Befreiungsbewegung«, einer rechtsextremen Organisation mit Wurzeln in Russland, die sich unter Leugner*innen der Corona-Pandemie großer Beliebtheit erfreute.
Für den Prozess in Celle sind 20 weitere Verhandlungstage bis Anfang April angesetzt. Derweil verzögert sich das Urteil in Koblenz, das eigentlich dieser Tage verkündet werden sollte, weiter. Weil einer der fünf Angeklagten in seinem Schlusswort überraschend offenbarte, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zu haben, soll kurzfristig ein psychiatrisches Gutachten zu seiner Schuldfähigkeit eingeholt werden. Wie schnell das gelingen wird, ist offen.