Ihr Mandant Zaid A. aus Nürnberg gehört zu den sieben Antifaschist*innen, nach denen seit zwei Jahren wegen Angriffen auf Rechtsextreme beim »Tag der Ehre« in Ungarn gefahndet wird und die nun aufgetaucht sind[1]. Wie lief das ab?
Zaid hat sich am Montag gegen 11 Uhr mit mir beim Polizeipräsidium in Köln gestellt. Dort war man mehr als überrascht. Wir mussten eine Stunde im Foyer warten, bis die Polizist*innen vor Ort weitere Informationen eingeholt haben. In dieser gesamten Zeit hätte Zaid auch wieder gehen können. Er tat es nicht.
Was werfen ihm die Behörden vor?
Bei der Bundesanwaltschaft wird ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 Strafgesetzbuch sowie Körperverletzungshandlungen in Budapest geführt. Laut europäischem Haftbefehl aus Ungarn werden ihm auch dort Körperverletzungen vorgeworfen.
Anders als die sechs in Untersuchungshaft gebrachten Antifas sitzt Zaid A. in Köln in Auslieferungshaft. Er hat die syrische Staatsangehörigkeit. Warum gibt es gegen ihn keinen deutschen Haftbefehl?
Die Frage stellen wir auch der Bundesanwaltschaft! Unserem Mandanten werden dieselben Taten vorgeworfen wie den übrigen sechs Personen, die sich am Montag gestellt haben. Letztlich aufgrund des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen und Haftbefehle beim Bundesgerichtshof gegen eine Vielzahl von Personen erwirkt, aber nicht für Zaid. Wir können daher nur folgendes feststellen: Hier soll für einen nicht-deutschen Staatsangehörigen offensichtlich direkt und unmittelbar der Weg in die Auslieferung in einen rechtsautoritären Staat, nach Ungarn, und damit in menschenrechtswidrige Haftbedingungen und ein gänzlich unfaires Verfahren forciert werden.
Wieso ist Zaid M. überhaupt noch in Haft? Er hat sich doch freiwillig gestellt, es gibt also keine Fluchtgefahr …
Das sehen wir genauso. Fluchtgefahr kann aus unserer Sicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Wer entscheidet nun über die Fortsetzung der Haft? Sie fordern ja dass zu den Vorwürfen ein faires Verfahren in Deutschland geführt wird.
Die zuständige Staatsanwaltschaft kann und muss aus unserer Sicht entscheiden, dass weder Gründe für einen Auslieferungshaftbefehl vorliegen und auch, dass die Auslieferung unzulässig ist. Wir erinnern an die erst kürzlichen, deutlichen Worte des früheren stellvertretenden Generalstaatsanwalts Cuno Jakob Tarfusser aus Italien, der zu Recht bezüglich des dort verfolgten Gabriele Marchesi entschieden hatte: Keine Auslieferung nach Ungarn, weil es erhebliche Zweifel an der dortigen Rechtsstaatlichkeit gibt und das Verhältnis zwischen Tat und Strafe in völligem Missverhältnis steht. Und der mit Blick auf die Entscheidung des Kammergerichts Berlin bezüglich der aus Deutschland ausgelieferten Maja T. kürzlich äußerte: »Das Vorgehen der Behörden ist gravierend. Es zeigt, dass im Wettlauf zwischen Recht und Staatsmacht die Staatsmacht gewonnen hat.«
An welche Fristen muss sich die Justiz im Fall von Zaid A. nun halten?
Dem zuständigen Gericht ist gemäß dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen eine Frist von 60 Tagen zur Entscheidung über den Auslieferungsantrag eingeräumt. Allerdings handelt es sich um eine sogenannte »Soll-Vorschrift«, das heißt, das Gericht kann diese Frist bei Vorliegen guter Gründe auch überschreiten. So dürfte der Fall hier liegen, denn die Sach- und Rechtslage ist komplex. Es gibt mit dem Auslieferungsverfahren von Maja T. einen gleichgelagerten Fall, in dem das Bundesverfassungsgericht die Überstellung per Eilbeschluss verhindern wollte. Das Hauptsacheverfahren um die Verfassungsbeschwerde ist noch nicht entschieden. Es gibt also gute Gründe dafür, das Verfahren nicht auf Biegen und Brechen innerhalb der 60-Tage-Frist durchzuziehen.
Und wenn die Auslieferungsentscheidung für Ihren Mandanten negativ ausgeht?
Natürlich werden wir jeglichen gerichtlichen Rechtsschutz, den es gibt, ergreifen. Im Zweifel auch vor dem Bundesverfassungsgericht.
Gibt es nicht ein deutliches Problem in der EU-Rechtshilfe, wenn Staaten wie im Fall Maja T. machen können, was sie wollen, die Betroffenen aber kaum widersprechen können?
Das deutsche Auslieferungsrecht beruht auf der Vorstellung, dass innerhalb Europas einheitliche Standards in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Beschuldigtenrechte gelten. In Ungarn existiert aber keine unabhängige Justiz mehr.
Im Falle einer Auslieferung wäre ein syrischer Botschafter zuständig, Zaid. A. in Budapest in Haft konsularisch zu betreuen und auf korrekte Haftbedingungen zu drängen …
So einfach ist die Bundesrepublik nicht aus der Verantwortung zu nehmen. Weder jetzt noch im Falle einer Auslieferung. Unser Mandant, der einen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention hat, ist hier wohnhaft. Er ist zu behandeln wie ein deutscher Staatsangehöriger. Zaid A. darf nicht ausgeliefert werden!