Unterfinanziert, überlastet und unterbezahlt[1]. Die Klagen aus dem öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen häufen sich. Für die Beschäftigten beginnen am Freitag in Potsdam die Tarifverhandlungen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund fordern für die rund 134 000 Tarifbeschäftigten des Bundes und die mehr als 2,4 Millionen kommunalen Angestellten unter anderem eine Lohnerhöhung von acht Prozent[2], mindestens aber 350 Euro. Auch soll es bessere Wahlmöglichkeiten zwischen Arbeitszeit und Lohn geben sowie drei weitere Urlaubstage.
Innenministerin Nancy Faeser, die in Potsdam für den Bund am Verhandlungstisch sitzt, bezeichnete den öffentlichen Dienst im Vorfeld zwar als »Rückgrat der Demokratie«. Doch die Forderungen der Gewerkschaften seien »sehr hoch«. Auch die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) wiesen diese wegen entstehender Mehrkosten als unverantwortlich zurück. »Die Gewerkschaften gefährden mit ihren überzogenen Forderungen die Handlungsfähigkeit der Kommunen«, warnte die VKA-Verhandlungsführerin und Sozialdemokratin Karin Welge. Ähnlich klingt es auch beim Ökonomen Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Im Interview mit der Tagesschau sagte er mit Blick auf die Gewerkschaftsforderung: »Acht Prozent ist völlig utopisch.«
Dieser Darstellung widerspricht Verdi auf »nd«-Anfrage und betont: »Die finanziellen Probleme werden nicht durch die Beschäftigten verursacht.« Sie seien vielmehr auf erhebliche Altschulden zurückzuführen, »die eigentlich längst hätten getilgt werden sollen und die eine toxische Wirkung haben«, bemängelt die Gewerkschaft. Auch habe der Bund zunehmend staatliche Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt, »ohne gleichzeitig dafür im erforderlichen Umfang Finanzmittel zur Verfügung zu stellen«.
Die Steuer- und Finanzexpertin Katja Rietzler[3] vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hält es daher für geboten, dass sich der Bund stärker an den kommunalen Ausgaben beteiligt. Vor allem die Sozialausgaben seien in den vergangenen Jahren stark angestiegen und müssten durch den Bund auf Dauer ausgeglichen werden. Im Interview mit »nd« betont sie, dass dabei auch über eine Reform der Mittelvergabe gesprochen werden müsse. Um die kommunalen Investitionslöcher in Milliardenhöhe zu stopfen, müsse laut IMK zudem die Schuldenbremse gelockert werden. Die Ökonom*innen schlagen vor, mit der Wiedereinführung einer sogenannten Goldenen Regel produktive Investitionen von der Verfassungsklausel auszunehmen.
Mit einer Einigung am Freitag ist nicht zu rechnen. Die zweite Verhandlungsrunde ist für den 17. Februar angesetzt. Schon jetzt zeigen sich die Beschäftigten etwa von Sozial- und Jugendämtern, oder kommunalen Verkehrs- und Reinigungsbetriebe wie die Berliner Stadtreinigung aktions- und streikbereit.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188476.oeffentlicher-dienst-es-geht-um-mehr-als-geld.html