Es brauchte einen zweiten Anlauf: Am Donnerstag musste das Parlament der Republik Irland noch einmal die Wahl des Taoiseach genannten Regierungschefs in Angriff nehmen. Dass es Micheál Martin wird, seit vier Jahren Chef der liberal-konservativen Fianna Fáil, stand fest. Bei den Wahlen zum Dáil Éireann im vergangenen November hatte die Partei vor der bürgerlichen Fine Gael und der linksrepublikanischen Sinn Féin knapp die Nase vorn gehabt[1]. Nach wochenlangen Verhandlungen hatten sich die beiden größten Parteien auf eine weitere Koalition verständigt und sich – anstelle der dezimierten Grünen – für ihre Mehrheit im Unterhaus die Stimmen von zehn unabhängigen Abgeordneten gesichert.
Und das auch ganz wörtlich: Von den Pseudo-Unabhängigen auf Kosten der Opposition beanspruchte Redezeit hatte am Mittwoch zu Streit und Tumulten geführt. Die Sitzung endete im Eklat, der vorgesehene Festakt mit der förmlichen Ernennung von Martin durch Irlands Präsidenten Michael D. Higgins fiel ins Wasser. 24 Stunden später klappte es: Der 1960 in Cork geborene frühere Lehrer, Kommunalpolitiker und langjährige Abgeordnete Micheál Martin war von Juni 2020 an für anderthalb Jahre schon einmal Premier und seitdem Vize-Regierungschef sowie Außen- und Verteidigungsminister. Sein Land positioniert er »militärisch, nicht aber politisch neutral[2]«.
Auch der neue Deal der beiden stärksten Parteien sieht eine Rochade vor: Martin soll bis Ende 2027 regieren und dann mit Simon Harris von der Fine Gael tauschen, der als Außenminister auch das Handelsressort bekommt. Weil Irland ein Top-Standort der Tech-Konzerne ist, wird der US-Protektionismus von Donald Trump die Regierung Martin vor ernste Probleme stellen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188480.neue-regierung-in-irland-holpriger-start.html