Wer ein Corona-Testzentrum betrieb, bei der Abrechnung schummelte und erwischt wurde, soll nicht ungeschoren davonkommen. Gleiches gilt für Betrug bei staatlichen Corona-Hilfsgeldern. Anders sieht die Sache möglicherweise bei fingierten Impfausweisen[1] aus, obwohl Urkundenfälschung kein Kavaliersdelikt ist. Bei einer Amnestie, wie sie dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vorschwebt, geht es aber in erster Linie zum Beispiel um die Rückzahlung von Bußgeldern, wenn sich mehr Personen als während der Pandemie zeitweise zulässig zu einer Familienfeier getroffen haben.
Wie ein Amnestiegesetz aussehen könnte? Unter anderem dazu soll eine Enquetekommission des Brandenburger Landtags Vorschläge machen. Das Parlament beschloss am Donnerstag, ein solches Gremium einzusetzen, und wählte die Abgeordnete Sina Schönbrunn (SPD) einstimmig zur Vorsitzenden. Zu ihrem Stellvertreter wurde Lars Hünich (AfD) gemacht, für den aus den Reihen der Koalition Christian Dorst (BSW) stimmte. Ansonsten ließen die Koalitionsfraktionen SPD und BSW den Personalvorschlag Hünich mit vielen Enthaltungen bei etlichen Gegenstimmen passieren.
Schönbrunn ist neu im Landtag, Hünich hatte bereits in zwei Corona-Unterschungsausschüssen mitgearbeitet, die es auf Verlangen seiner AfD-Fraktion gegeben hat. In der Enquetekommission gehe es nun nicht darum, »nachzutreten oder der Landesregierung Staatsversagen vorzuwerfen«, wie es in den Untersuchungsausschüssen oft der Fall gewesen sei, erklärte SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann.
Vielmehr soll aus den Erfahrungen für die Zukunft gelernt werden. Als die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 ausbrach, ergriff Brandenburg Maßnahmen[2] wie andere Bundesländer auch. Dazu gehörte die mittlerweile umstrittene Schließung von Schulen und Kitas, Theatern und Kulturhäusern[3]. Dazu gehörten auch Kontaktbeschränkungen. Alles hatte zum Ziel, die Ausbreitung von Corona einzugrenzen, heißt es jetzt in dem von SPD und BSW gestellten Antrag zur Einsetzung der Enquetekommission. Die Folgen: Eltern mussten zusehen, wie sie Familien und Beruf ohne Kinderbetreuung vereinbaren, Firmen und Selbstständige hatten zu kämpfen, viele Menschen litten unter der Isolation[4].
Die Kommission soll Wege finden, es bei einem nächsten Mal besser zu machen. Statistisch alle 56 Jahre erlebe die Welt eine Pandemie, doch in der modernen Welt der Fern- und Flugreisen breite sie sich schneller aus als in früheren Jahrhunderten, wie der Landtagsabgeordnete und Medizinprofessor Michael Schierack (CDU) erläuterte. Die nächste Pandemie komme bestimmt. »Einige Regeln waren sicherlich sinnvoll, andere nicht«, schätzte Schierack im Rückblick ein. Die Fehler, die gemacht wurden, sollen sich nicht wiederholen.
Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern um künftige Schutzmaßnahmen mit möglichst geringen Eingriffen, versicherte BSW-Gesundheitsministerin Britta Müller. Der BSW-Abgeordnete Christian Dorst wünscht sich in der Enquetekommission einen »herrschaftsfreien Diskurs«. Seine Vorstellung davon: »Niemand wird zum Schweigen gebracht.« Die Kommission soll Experten und von den Maßnahmen betroffene Bürger anhören. Sie kann Gutachten in Auftrag geben. Angehören sollen dem Gremium neun Abgeordnete und vier Sachverständige. Jede Fraktion darf einen Sachverständigen benennen.