Das bayerische Kultusministerium hat der Klimaaktivistin Lisa Poettinger, wie von ihr bereits befürchtet[1], die Zulassung zum Referendariat verweigert. Die Lehramtsabsolventin wollte in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien eintreten. Doch in einem Schreiben, das der »Süddeutschen Zeitung« vorliegt, erklärt das Ministerium, Poettingers »Tätigkeit und Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen« sei mit den Pflichten einer Beamtin unvereinbar.
Kritik übt das Ministerium an ihrer Beteiligung an Protestaktionen gegen Braunkohleabbau und die Automesse IAA sowie an ihrer Wortwahl. So habe die 28-Jährige als Sprecherin einer Klimaprotestgruppe die IAA als »Symbol für Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima« bezeichnet. Laut Ministerium sei »Profitmaximierung« eine »den Begrifflichkeiten der kommunistischen Ideologie zuzuordnende Wendung«. Diese Ideologie sei nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar.
Poettinger, die sich selbst als Marxistin bezeichnet[2], widerspricht: Kapitalismuskritik müsse unter Achtung der Verfassung möglich sein. Sie beruft sich dabei auf das Bundesverfassungsgericht, das festgestellt habe, dass das Grundgesetz keine bestimmte Wirtschaftsordnung festlege. Dennoch wirft das Ministerium ihr vor, mit ihrem Aktivismus demokratische Grundprinzipien zu missachten. Besonders kritisch sieht es, dass Poettinger während laufender Ermittlungen gegen sie ihre Protestaktionen rechtfertigte.
Aktuell laufen gegen die 28-Jährige Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bei der Räumung des im nordrhein-westfälischen Braunkohledorfs Lützerath und Zerstörung von Wahlplakaten der AfD. Poettinger erklärt, sie habe antisemitische Inhalte auf den Plakaten als Bedrohung für die Demokratie wahrgenommen. Das Ministerium wertet ihre Aktionen als Zeichen mangelnder Verfassungstreue.
Als Mitglied des »Offenen Antikapitalistischen Klimatreffens München« ist Poetinger eines der bekanntesten Gesichter der deutschen Klimaprotestbewegung. Bekannt ist sie auch als Anmelderin[3] von Großdemonstrationen gegen rechts.
Poettinger hat gerade ein Studium mit der Fächerkombination Englisch, Ethik und Deutsch als Zweitsprache an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität mit erstem Lehrer-Staatsexamen abgeschlossen. Der Ausschluss vom »Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien«, der ein faktisches Berufsverbot bedeutet, stößt auf Kritik. Poettinger sieht darin einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und plant nach eigener Auskunft[4], juristisch gegen die Entscheidung vorzugehen.
Die Überprüfung von Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst auf Verfassungstreue war vor allem in den 1970er und 1980er Jahren weitverbreitet. Der sogenannte Radikalenerlass von 1972 führte dazu, dass über 1200 Lehrkräfte, überwiegend wegen linker Aktivitäten, von einer Beamtenlaufbahn ausgeschlossen wurden. Bayern hielt als letztes Bundesland bis 1991 an dieser Praxis fest. Die »Süddeutsche Zeitung« sieht im Fall von Lisa Poettinger ein Beispiel dafür, dass solche Repressalien auch heute rechtlich möglich sind.