Wie sehr die Stimmung im Land kippt, das hat die Bundestagsabgeordnete der Linken, Gökay Akbulut[1], am Samstagabend erfahren. Sie fuhr in einem Intercity von Heidelberg nach Stuttgart und mit ihr viele Fußballfans, die den VfB Stuttgart[2] während eines Auswärtsspiels in Mainz begleitet hatten. Als sie sich mit einem Rucksack und Koffer durch einen überfüllten Wagen drängte, sei sie »wiederholt sexuell belästigt und rassistisch beleidigt« worden, schrieb die 42-Jährige auf Instagram. Einen Sitzplatz fand sie schließlich hinter einer Gruppe von Männern, »die aber ständig AfD-Parolen riefen, sangen und grölten. Als die Rufe immer lauter wurden, begann ich, die Gruppe zu fotografieren und Aufnahmen zu machen. Daraufhin warf ein Mann mit Brille eine Bierflasche gegen meinen Kopf.« Sie habe unter Schock gestanden, berichtete sie, eine Verletzung habe sie im Krankenhaus behandeln lassen.
Akbulut ist seit 2017 Mitglied des Bundestags und hat ihren Wahlkreis in Mannheim. Politisiert sei sie über die Arbeit in kurdischen Vereinen worden, schreibt sie auf ihrer Website. Die Alevitin wurde 1982 in der Türkei geboren und lebt seit 1990 in Deutschland. Im Bundestag ist sie Sprecherin der Gruppe Die Linke für die Themen Frauen, Migration, Familie und bürgerschaftliches Engagement.
Für den Vorfall im Zug macht sie »eine aufgeheizte gesellschaftliche Stimmung« verantwortlich, in der »Migration als das Übel aller Dinge«[3] dargestellt werde. Politiker aller Parteien rief sie auf, den Tonfall in der Migrationsdebatte zu mäßigen. »Anstatt Forderungen der politischen Rechten zu übernehmen, brauchen wir jetzt eine klare Kante gegen Rassismus und Rechtsextremismus.« Akbulut trotzt offenbar dem Übergriff und bleibt kämpferisch.