nd-aktuell.de / 28.01.2025 / Kultur / Seite 1

»Ara«: Warenförmige Geschichte

Nicht so überzeugend: Das neue Globalstrategiespiel »Ara«

Ralf Fischer
Bis auf weiteres gilt Nolans Bushnells Gesetz: Die besten Spiele sind einfach zu lernen und schwer zu meistern.
Bis auf weiteres gilt Nolans Bushnells Gesetz: Die besten Spiele sind einfach zu lernen und schwer zu meistern.

Nolans Gesetz ist ein Aphorismus, der oft dem Atari-Gründer Nolan Bushnell zugeschrieben wird: Die besten Spiele sind einfach zu lernen und schwer zu meistern. Ein einfacher Einstieg in die Spielmechaniken[1] muss nahtlos in eine stetig fordernde Schwierigkeitsspirale münden. Was in den ersten Leveln noch leicht von der Hand ging, muss im weiteren Verlauf schwerer werden, um den Spielspaß langfristig aufrechtzuerhalten.

Diese Prämisse hat sich selbstverständlich auch das Entwicklerstudio Oxide Games aus Maryland mit seinem Projekt »Ara: History Untold« zu Herzen genommen. Mit dem im Herbst veröffentlichten Globalstrategiespiel wollten sie »Sid Meier’s Civilization«[2], dem Platzhirsch im Genre, Konkurrenz machen. Das hat nicht geklappt: Mit nur knapp über 4000 gleichzeitig Spielenden als Höchstwert auf der Spieleplattform Steam, steht »Ara« auf verlorenem Posten. Zum Vergleich: Das acht Jahre alte »Civilization« kommt derzeit immer noch auf über 50 000 regelmäßige Spieler. Das Spiel verkaufte sich insgesamt weit über 11 Millionen Mal.

Veröffentlicht vom Software-Giganten Microsoft ging »Ara« mit vielen Vorschusslorbeeren in den Verkauf. Mit der unfassbar hübschen wie auch detaillierten Aufmachung der Spielwelt, dem furiosen Ausbruch aus dem veralteten Hexagon-Gefängnis und der simultanen Umsetzung der einzelnen Spielzüge ist den Entwicklern tatsächlich ein Meilenstein gelungen. Allein die organische Karte wird noch lange im Gedächtnis bleiben. Wieso aber ist das Spiel trotzdem ein solcher Flop?

Das Spiel scheiterte, weil die Entwickler mit ihrer Entscheidung, auf ein komplexes Ressourcenmanagement mit Produktionsketten zu setzen, das große Strategieabenteuer auf einmal kleinteilig werden ließen. Der Versuch, in dem rundenbasierten Spiel das Maximum an Effizienz zu erreichen, raubt einem den letzten Nerv, statt zu motivieren. Hinzu kommt, dass die Benutzerschnittstelle nicht nur kein schöner Anblick, sondern auch noch extrem unübersichtlich ist.

Die Idee, mittels umfangreicher Warenketten zahlreiche strategische Entscheidungen treffen zu können, wird letztlich von der Masse der Möglichkeiten erstickt. Diese Art von Spieltiefe passt besser zu einer Wirtschaftssimulation als zu einem geopolitischen Strategiespiel. Das kleinteilige Management erhöht zwar potenziell den Wiederspielwert, erschwert aber den Spielfluss nachhaltig. Die meiste Zeit über frimmelt der Spieler an der bestmöglichen Verwendung knapper Ressourcen in seinen Städten, statt der gesamten Welt seinen Stempel aufzudrücken.

Auch die Möglichkeiten, sich mit seinen Nachbarn diplomatisch ins Benehmen zu setzen, sind sehr eingeschränkt. Langfristig stellen die vom Computer gelenkten Gegenspieler weder ernst zu nehmende Antagonisten noch bereitwillige Handelspartner dar.

Im Februar erschient nun der siebte Teil der »Civilization«-Reihe. Doch diese Ankündigung verfing nicht sonderlich beim Zielpublikum. Viele Neuerungen stoßen hier bei den langjährigen Fans auf wenig Gegenliebe. Den größten Aufschrei gab es, weil es nicht mehr die Möglichkeit gibt, ein und dieselbe Zivilisation durch die gesamte Spielzeit zu führen, also von der Steinzeit bis zur Moderne.

Die Änderung dieser grundlegenden Spielmechanik stellt einen weiteren Versuch dar, das größte Dilemma des Genres zu umschiffen: Je fortgeschrittener ein Spieldurchlauf, desto klarer ist der Ausgang. Die letzten Runden schleppen sich häufig dahin, und der Spielspaß bleibt auf der Strecke. Um die Spannung über die gesamte Spieldauer zu erhalten, opfert »Civilization« nun eine grundlegende Formel bisheriger Globalstrategiespiele. Im Sinne von Nolans Gesetz ist es zumindest einen Versuch wert.

»Ara: History Untold«, Oxide Games, 59,99 Euro

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174977.computerspiele-ideologiekritik-und-computerspiele-was-sind-das-fuer-welten.html?sstr=spielmechanik
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158301.computerspiele-runde-auftritt-moses.html?sstr=civilization