»Nie wieder ist jetzt« ist leider kein Satz, der lange nachhallt. Selbst wenn ihn Hunderttausende Mitglieder der Zivilgesellschaft gemeinsam skandieren, verpufft er so schnell im Alltagsgeschehen, dass es mittlerweile gelten müsste, ihn wöchentlich zu erneuern. Nach der letzten Großdemo gegen rechts, dem »Lichtermeer« am Brandenburger Tor[1], folgt am kommenden Sonntag bereits eine weitere. Schade nur, dass man die engagierte Öffentlichkeit am Wahlsonntag nicht mehr bemerkt.
Dabei ist es unbestreitbar wichtig, auf rechtsextreme Meinungen zu antworten. Die nehmen im öffentlichen Diskurs zwar schon viel zu viel Raum[2] ein, aber irgendwann stellt man sich sonst die Frage: »Habe ich das mit der Menschenwürde eigentlich nur geträumt?«
Wie wohl es dann tut, auf Kundgebungen und Großdemos lange Listen mit Unterstützern vorgelesen zu bekommen. Mercedes-Benz, Deutsche Bank und sogar der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sind auf einmal Antifaschist*innen, und man hat kurz den Eindruck, sich in einem politisch ertragbaren Raum zu bewegen. Der Blick aus der linken Bubble heraus, auf die Wahlprognosen[3] etwa, bietet den nötigen Realitätscheck. Versammelten sich 10 000 linke Bürger*innen statt vor dem Brandenburger Tor auf einer Brandenburger Festwiese, wären sie trotzdem noch in der Unterzahl.
Von verschwendetem politischen Potenzial soll auf keinen Fall die Rede sein. Schön, dass antifaschistische Veranstaltungen zu öffentlichkeitswirksamen Familienereignissen werden. Schöner wäre nur, wenn das auch für linke Standpunkte gelten würde. Aber Hoffnung zu verbreiten, kann man niemandem vorwerfen.