Abrücken von Merz: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kündigte im Abgeordnetenhaus an, ein möglicherweise mit AfD-Stimmen im Bundestag zustande gekommenes Gesetz zur drastischen Beschränkung von Asylmigration im Bundesrat ablehnen zu wollen. »Der Berliner Senat wird niemals im Bundesrat seine Zustimmung geben zu Gesetzen, die in Abhängigkeit von der AfD eine Mehrheit bekommen haben«, sagte er. Auf Nachfrage eines Abgeordneten bestätigte er, dass dies nicht nur eine Enthaltung, sondern explizit eine Ablehnung bedeuten würde. Der Vorschlag sei mit dem Koalitionspartner SPD nicht abgestimmt, »ich bin mir aber sicher, dass es dafür im Senat eine Mehrheit gibt«, so Wegner.
Wegner betonte zugleich, dass es mit ihm keine Kooperation oder gar eine Koalition mit der AfD geben würde. »Darauf kann sich jeder verlassen«, sagte er. Er verband die Versicherung mit dem Appell, dass die Parteien der demokratischen Mitte vor der Abstimmung des von der CDU/CSU-Fraktion gestellten Antrags im Bundestag am Freitag zu einem Kompromiss kommen. »Da sind alle Demokraten in der Verantwortung«, sagte Wegner. Dabei schließe er auch die CDU/CSU-Fraktion ein, so Wegner.
»Der Berliner Senat wird niemals im Bundesrat seine Zustimmung geben zu Gesetzen, die in Abhängigkeit von der AfD eine Mehrheit bekommen haben.«
Kai Wegner (CDU)
Regierender Bürgermeister
Auf diese klaren Worte mussten die Abgeordneten und die Öffentlichkeit zuvor lange warten. In einer von Linke und Grünen beantragten Aktuellen Stunde zur Brandmauer gegen rechts anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hatten CDU-Vertreter sich um eine eindeutige Positionierung herumgedruckst. »Wir werden niemals mit Radikalen kooperieren, geschweige denn koalieren – schon gar nicht mit der AfD«, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Stettner. Darauf, dass die Konservativen am Tag zuvor im Bundestag eine Resolution mit Stimmen der AfD verabschiedet hatten[1], ging er nicht ein. Entsprechende Kritik bezeichnete er als »billigen Wahlkampf«, der dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus schade.
Die Christdemokraten mussten sich zuvor scharfer Kritik der Oppositionsfraktionen und des Berliner Koalitionspartners SPD stellen. »Die CDU/CSU hat sich entschieden, den demokratischen Grundkonsens Nachkriegsdeutschlands zu verlassen«, sagte Linksfraktionsvorsitzender Tobias Schulze. »Merz hat den Dammbruch nicht nur in Kauf genommen, sondern ihn anschließend noch gefeiert.«
Auch Raed Saleh, Fraktionsvorsitzender des Wegner-Koalitionspartners SPD, hielt sich nicht mit Kritik zurück. »Die zentrale Lehre aus dem Faschismus ist, dass wir uns gegen Rechtsextreme klar positionieren müssen«, sagte er. »Doch diese Lehre wurde von der CDU mit Füßen getreten.« Die CDU habe den Nazis Tür und Tor geöffnet[2]. »Ich bin erschüttert, wie leichtfertig hier mit unserer Verfassung gespielt wird.« Ein Pakt mit Nazis sei ein Pakt mit den Feinden der Demokratie.
Mit dem Schritt habe Merz der Glaubwürdigkeit der CDU geschadet, so Saleh. »Wer gemeinsame Sache mit Rechtsextremen macht, dem kann man nicht länger vertrauen«, sagte er. Und in Anspielung darauf, dass Merz noch im November angekündigt hatte, keine Anträge, die nur mit der AfD eine Mehrheit erzielen könnten, stellen zu wollen: »Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.«
Warum die Brandmauer nötig bleibt, machte der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer deutlich. Während seiner Rede hatten sich die Abgeordneten von SPD, Grünen und Linke demonstrativ abgewendet. Trefzer sprach von einer »Ambivalenz des Kriegsendes« und beklagte den »Verlust des deutschen Ostens«. Konsequenz aus dem Nationalsozialismus müsse sein, einen »gesunden Patriotismus zu entwickeln«.