Zahlreiche Aktionäre haben auf der Hauptversammlung der kriselnden Thyssen-Krupp AG am Freitag die Ausschüttung von Dividenden massiv kritisiert. »Wenn sie so weiter agieren, wird von dem einst florierenden Unternehmen bald nicht mehr viel übrig sein«, erklärte etwa der Dachverband der Kritischen Aktionäre.
Trotz herber Verluste, angeordneter Lohnkürzungen, Stellenabbaus und bevorstehender Schließung des Standorts im siegerländischen Kreuztal[1] haben Vorstand und Aufsichtsrat des Essener Stahl-Konzerns vorgeschlagen, mehr als 93 Millionen Euro Dividende auszuzahlen. Die Ausschüttung zur Unzeit hatte insbesondere die Krupp-Stiftung als Hauptanteilseignerin forciert. Der Konzern will in der Stahlsparte und womöglich auch in anderen Sparten in den kommenden Jahren massiv Stellen abbauen. Da die Produktion von Stahl weiter auf unter neun Millionen Tonnen pro Jahr heruntergefahren werden werden soll, könnten bis zu 11 000 Stellen gestrichen oder ausgegliedert werden.[2]
Der Vorstand um den umstrittenen CEO Miguel López verteidigte sich bei der Hauptversammlung damit, dass die Zahlung einer »maßvollen Dividende« von 15 Cent je Aktie die unveränderte Zuversicht des Managements in eine nachhaltige Geschäftsentwicklung ausdrücke. »Unsere Aktionäre als Eigentümer sollen an den Fortschritten bei der Transformation des Unternehmens teilhaben«, sagte López.
Nur stockt die notwendige Umstellung auf die Produkion von grünem Stahl seit Monaten – trotz Milliarden vom Staat und dem Teil-Einstieg des Milliardärs Daniel Křetínský, Eigentümer des Lausitzer Braunkohle-Konzerns Leag, vor gut zehn Monaten . Braunkohle und grüner Stahl – wie passt das zusammen? Das fragen sich vor allem Gewerkschaften, Betriebsräte und Belegschaft, die auch bei de Hauptversammlung vergeblich auf Antworten auf zukunftsweisende Fragen warteten. Diese Intransparenz zermürbt die Belegschaft. Tausende Existenzen nicht nur im Revier hängen von den Sparplänen des Vorstands ab.
Deshalb und wegen »jahrelangen Missmanagements«, verweigerten der Dachverband Kritischer Aktionäre, die Shareholders for Change und die italienische Fondazione Finanza Etica dem Vorstand wie den Arbeitgeber-Vertretern im Aufsichtsrat die Entlastung. Die Mehrheit der Anteilseigner schloss dem nicht an.
Die Kritischen Aktionäre forderten, statt Dividendenzahlungen sollten jetzt Investitionen in die nötige sozial-ökologische Transformation getätigt werden. Gelinge die Herkulesaufgabe, »würde das Essener Traditionsunternehmen einen ökologisch und gesellschaftlich immens wichtigen Beitrag leisten«, schätzt der Dachverband. Kritik kam auch von Großaktionärsvertretern: Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka der Sparkassengruppe kritisierte: »Der Umbauplan ist intransparent, bislang hat das Management kein tragfähiges Konzept vorgelegt.«
Fondazione Finanza Etica und das europäische Investorennetzwerk Shareholders for Change forderten zugleich Thyssen-Krupp zu mehr Transparenz speziell bei Rüstungsexporten und der möglichen Produktion von Waffensystemen, die »ohne menschliches Zutun von Künstlicher Intelligenz gesteuert werden«. Auch die Zusage für ein 1,8 Millionen Euro schweres »Handgeld« für den scheidenden Finanzvorstand Jens Schulte löste kritische Fragen von Investoren aus. Dieser wird Thyssen-Krupp laut Medienberichten nach nur wenigen Monaten im Amt wieder verlassen und darf auch seine Antrittsprämie behalten.
Für große Irritation sorgte die Tatsache, dass der Konzern erstmals ausschließlich virtuell die Hauptversammlung abhielt. Vergangenes Jahr kam es zu etlichen Protesten vor und teilweise auch während des Aktionärstreffens. Das wollte man sich wohl dieses Jahr ersparen. »Nicht nachvollziehen« kann dies Olaf Vopel, stellvertretender Betriebsratsvorsitzende aus Duisburg. Er kündigte an, dass es in den nächsten Wochen wohl Gespräche zwischen Vorstand und Belgschaft geben werde.