Sie soll noch bis zum Sommer dieses Jahres durch München fahren: Eine mit Flecktarn beklebte Straßenbahn[1], die Werbung für die Bundeswehr macht. Das ist nicht jedermanns Geschmack. Einige Kunden haben ihren Unmut sogar gegenüber der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) kundgetan. Es habe vier Beschwerden über die Werbung gegeben, sagte MVG-Pressesprecher Maximilian Kaltner dem »nd«. Seit dem vergangenen Freitag gibt es Einwände auch vonseiten dreier Tramfahrer: Sie haben erklärt, die oliv-grünen Straßenbahnen nicht führen zu wollen und sich dabei auf die im Grundgesetz garantierte Freiheit des Gewissens berufen.
Einer der drei in der Gewerkschaft Verdi organisierten MVG-Mitarbeiter ist Michael Niebler. Für ihn sind es »dumme Sprüche«, die die Tarn-Tram als Werbung herumfährt. »Grünzeug ist auch gesund«, sei da zu lesen. Dabei habe der Soldatenberuf mit dem Töten und dem Getötetwerden zu tun, sagte Niebler im Gespräch mit »nd«. Und der Spruch »Mach, was wirklich zählt« sei eine Herabwürdigung anderer Berufe, findet er.
Der 52-Jährige hat zwei Kinder im Alter von knapp über 20 Jahren und sagt über deren Generation: »Das ist die Zielgruppe, die mit dieser Werbung angesprochen wird.« Er selbst hat seinerzeit mit 19 Jahren nach seiner Lehre als Schreiner den Kriegsdienst verweigert und will heute nicht, dass seine Kinder zur Bundeswehr gehen. Und er kritisiert, dass dort auch Minderjährige aufgenommen werden.
Bereits vor zwei Jahren hat sich Niebler auf einer Betriebsversammlung gegen die Werbung für die Bundeswehr ausgesprochen. Auch damals fuhr eine derart beklebte Tram durch die bayerische Landeshauptstadt – und verschwand später wieder.
Der jetzige Protest geht weiter als damals: Zusammen mit zwei Kollegen hat sich Niebler in einem Schreiben an seinen Arbeitgeber, die Münchner Verkehrsgesellschaft, gewandt und darin angekündigt, nicht für die Bundeswehr-Tram zur Verfügung zu stehen. Seine Weigerung gründet er auf Paragraf 4 Absatz 1 des Grundgesetzes, der die Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert.
Niebler verweist auch auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1989, das eine derartige »Gewissensnot« anerkannt habe. Die Forderung der drei Fahrer sei auch nicht »unbillig« in dem Sinne, dass der Arbeitgeber damit überfordert wäre, denn bei 140 Trambahnen im Einsatz könnten die Dienstpläne so gestaltet werden, dass die drei nicht auf jener mit der Militärreklame Dienst tun müssten.
Einmal ist Trambahnfahrer Niebler auf der Bundeswehr-Tram gefahren, und das soll nicht mehr vorkommen. »Ich weiß ja nicht, welche Straßenbahn bei Dienstbeginn auf mich wartet. Das könnte auch die Bundeswehr-Tram sein.« Wenn das so wäre, würde er die Leitstelle anrufen und mitteilen, dass er diesen Wagen nicht fahren würde. Man könnte so einen Ersatzfahrer holen, was freilich zu einer Verzögerung führen kann. Durch diese Lösung seien aber das »Direktionsrecht« des Arbeitgebers gewahrt und die Gewissensnot der Angestellten berücksichtigt.
Neben dem Schreiben an den Arbeitgeber ist das Trio auch an den Betriebsrat mit der Forderung herangetreten, das Anliegen zu unterstützen. Darüber hinaus haben die drei Fahrer eine Petition[2] unter dem Slogan »Sagt mit uns Nein zur Bundeswehrtram!« auf der Plattform change.org auf den Weg gebracht. Darin fordern sie: »Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) darf sich nicht länger zum Rekrutierungsinstrument der Bundeswehr machen!« Bislang haben 2200 Personen die Petition unterzeichnet.
Wie reagieren die Kollegen auf die Forderung der drei? »Auf Betriebsversammlungen habe ich schon Beifall bekommen, es wurde geklatscht«, berichtet Niebler, der seit 2016 als Trambahnfahrer arbeitet. Und wann beginnt heute sein Dienst? »Von 17 Uhr bis nachts um zwei«, so der Trambahnfahrer. Und wenn dann die Bundeswehr-Tram daherkommt? Dann würde er fahren, sagt er, weil ja noch nicht die Woche verstrichen ist, die sie dem Arbeitgeber als Frist für eine Antwort gesetzt haben.