»Das kommt hier alles weg.«[1] Die erschrockenen Bürger des Städtchens Kyritz staunten nicht schlecht, als sie vor einigen Jahren dieses Wahlplakat der Satirepartei Die Partei[2] entdeckten. Erleichterung dann vielleicht, weil dies dann doch nicht so ernst gemeint sein konnte. »Satire darf alles«, entschied Kurt Tucholsky seinerzeit, aber gilt das auch in der bierernsten deutschen Wahlwerbung?
Wie die »Lausitzer Rundschau« jüngst berichtete, hat es Die Partei im Amt Peitz nun nach Ansicht der Verwaltung übertrieben. Das Amt hat demzufolge die Art und Weise der Wahlwerbung auf drei Plakaten verboten – und zwar für das gesamte Gemeindegebiet. Laut Amtsverwaltung gefährden sie die öffentliche Ordnung. Die Satirepartei[3] – im Deutschen Bundestag ist sie nicht vertreten, wohl aber im Europaparlament, das keine Fünf-Prozent-Sperre kennt – zieht dagegen vor Gericht.
»Wer unser sehr gutes Plakat schockierend findet, sollte vielleicht überdenken, wen er bei der letzten Wahl gewählt hat.«
Thomas Hufnagel Die Partei
Auf einem Plakat zu sehen: ein blutiger Tampon und der Slogan »Feminismus, ihr Fotzen!«. Auf ein weiteres Plakat ist ein Regenbogen mit der Aufschrift »Fickt euch doch alle!« gedruckt. Das dritte beanstandete Plakat zeigt ein Kind in Großaufnahme mit einer Waffe in der Hand und den Worten »Kinder stark machen!«. Es sei direkt vor einem Kindergarten und nur wenige Meter von einer Schule entfernt aufgehängt worden, empörte sich laut »Lausitzer Rundschau« Amtsdirektor Norbert Krüger. Gerade in der jetzigen Zeit, in der viele permanent im Hinterkopf die Sorge haben, dass der Krieg in der Ukraine irgendwann auch Deutschland erreichen könnte, sei das Motiv »einfach unangemessen«, sagte Krüger.
»Auf den Plakaten geht es klar erkennbar um Kinder, Gleichberechtigung und Frauenrechte«, verteidigt sich Thomas Hufnagel, der Sprecher des Landesverbandes Brandenburg von Die Partei. Laut »Lausitzer Rundschau« erklärte er: »Wir treten genau für diese Themen ein und wollen durch diese Plakate ein großartiges Wahlergebnis erzielen.«
Bei Facebook setzt er noch eins drauf: »Immer mehr Landes- und Bundespolitikerinnen bereiten uns auf den kommenden Krieg vor. Die Bundesbildungsministerin forderte gar, Kinder kriegstüchtig zu machen. Andere reden von Wehrerziehung bereits in Schulen und Kitas.« Wer das sehr gute Plakat schockierend finde, solle überdenken, wen er bei der letzten Wahl gewählt hat, erklärte Hufnagel.
Das berührt die wichtige Frage: Darf Wahlwerbung überhaupt verboten werden? Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat sich mit dieser Frage befasst. Laut der Stellungnahme des Dienstes wollen »immer mehr Kommunen übermäßiges Plakatieren im Wahlkampf ordnungsrechtlich einschränken«. Trotz des hohen Gutes der Wahlfreiheit und auch der Wahlwerbefreiheit ist es möglich, »Wahlsichtwerbung« zu beschränken oder zu verbieten. Dann nämlich, wenn sie gegen »allgemeine Gesetze« verstoße. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt zu dem Schluss, »dass diese Grenzen ganz überwiegend auf gefahrenabwehrrechtlichen Gründen beruhen«. Es kann also das Aufstellen von Wahlplakaten dort unterbunden werden, wo die konkrete Gefahr einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit gegeben ist – etwa wenn die Sicht auf eine gefährliche Kreuzung oder eine Ampelanlage versperrt wird.
Gilt das aber auch, wenn das sittliche Empfinden verletzt wird oder sein könnte? Wirken hier die »allgemeinen Gesetze« doch einschränkend? Diese Möglichkeit wurde in dem neunseitigen Papier des wissenschaftlichen Dienstes nicht untersucht. Eine Eilentscheidung des zuständigen Amtsgerichts wird erwartet. Alle Augen blicken jetzt auf die Richter.