nd-aktuell.de / 06.02.2025 / Wissen / Seite 1

Umweltverschmutzung in der Antike

Durch Metallverarbeitung wurde schon vor über 5000 Jahren Blei freigesetzt

Wolfgang Pomrehn
Sedimentkerne aus der Ägäis geben Auskunft über historische Bleiverschmutzung.
Sedimentkerne aus der Ägäis geben Auskunft über historische Bleiverschmutzung.

Schon lange vor Beginn der industriellen Revolution hat der Mensch seine Umwelt umfangreich verändert. Für die Entwicklung der menschlichen Zivilisation war die Metallverarbeitung sehr wichtig. Aber auch für deren schädliche Auswirkungen gibt es Belege. Schon in der Antike war die Belastung mit Blei, das bei dem Einschmelzen von Silber- und Bleierzen freigesetzt wurde, weit verbreitet. Zwei neue Studien geben Auskunft darüber.

Andreas Koutsodendris von der Universität Heidelberg und seine Kolleginnen und Kollegen von verschiedenen Instituten in Deutschland und Griechenland fanden heraus, dass auf der Balkanhalbinsel Blei schon 1200 Jahre früher als bisher angenommen durch menschliche Aktivitäten freigesetzt wurde. Dafür haben sie die Sedimente an verschiedenen Stellen in der Ägäis sowie Ablagerungen in einem Moor im Nordosten Griechenlands untersucht. Ihre Ergebnisse erschienen Ende Januar im Fachblatt »Communications Earth & Environment«[1].

Unter anderem konnten sie zeigen, dass die Verbreitung von Blei in der Umwelt mit dem Beginn des Bronzezeitalters[2] zusammenfällt. In der Region wird dies um das Jahr 3200 vor Beginn unserer Zeitrechnung angesetzt. Zugleich fanden sie heraus, dass vor etwa 2150 Jahren mit der Ausbreitung der römischen Herrschaft nach Griechenland auch die Bleikonzentrationen in den Ablagerungen in besagtem Moor und am Boden der Ägäis deutlich zugenommen hatten. Dies belegt eine Ausweitung des Bergbaus und der Verhüttung.

Die Verbreitung von Blei in der Umwelt fällt mit dem Beginn der Bronzezeit zusammen.

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Blei ist ein giftiges Schwermetall, das unter anderem das Nervensystem schädigt und sich im Körper anreichert, weil es in den Knochen das Kalzium verdrängt. Joseph McConnel vom Desert Research Institute in Reno, USA, sowie seine Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ländern Nordamerikas und Westeuropas fragen sich daher in einer weiteren Studie, wie stark die Bevölkerung des römischen Reichs betroffen war. Diverse antike Texte enthielten Hinweise auf die gesundheitlichen Folgen, schreiben sie in ihrer Studie, die in
den »Proceedings of the National Academy of Science«[3] (PNAS) veröffentlicht wurde.

Ursachen für Bleivergiftungen gebe es viele. Unter anderem komme die Verwendung bleihaltiger Farben und Trinkgefäße bei den alten Römern in Frage. Für die ärmere ländliche Bevölkerung, die keinen Zugang zu Luxusgütern hatte, dürfte das Problem aber vor allem die Hintergrundbelastung gewesen sein.

Um deren Folgen zu bestimmen, haben die Forschenden Informationen über die Bleibelastung aus der Zeit von 500 vor Beginn unserer Zeitrechnung und dem
Jahr 600 herangezogen, die sich in Eisbohrkernen[4] auf Grönland finden lassen. Damit ließ sich in Kombination mit Modellen der atmosphärischen Zirkulation bestimmen, wie viel Blei im Mittelmeerraum in der Luft gewesen sein oder sich auf den dortigen Pflanzen abgelagert haben muss. Das Ergebnis: In einem Kubikmeter Luft war auf dem Höhepunkt der römischen Machtentfaltung mehr als ein Nanogramm (ein Milliardstel Gramm) Blei. In der Nähe der Bergwerke und Verarbeitungsstätten sei die Belastung der Luft sogar etwa 150-mal so stark gewesen. Ansonsten weisen die Autorinnen und Autoren darauf hin, dass sich die Krisen der römischen Republik und des späteren Reiches auch in geringeren Bleiablagerungen auf Grönland ablesen lassen.

Mittels epidemiologischer Modelle konnte mit den Luftschadstoffwerten schließlich abgeschätzt werden, dass das Blut durchschnittlicher römischer Kleinkinder mit 3,4 Mikrogramm Blei pro 100 Milliliter belastet war. Zum Vergleich: Laut einer 2021 im »Morbidity and Mortality Weekly Report« des US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention veröffentlichten Studie lag die Bleibelastung US-amerikanischer Kinder zwischen null und fünf Jahren in den späten 1970er Jahren bei durchschnittlich 15,2 Mikrogramm pro 100 Milliliter Blut. Im Zeitraum 2011 bis 2016 waren es nur noch 0,83 Mikrogramm pro 100 Milliliter, was hauptsächlich auf das Verbot von Bleizusätzen in
Treibstoffen zurückzuführen sein dürfte. Die Autorinnen und Autoren wiesen aber gleichzeitig darauf hin, dass es kein sicheres Niveau von Bleiaufnahme gibt und auch sehr geringe Mengen schon Schäden im Körper anrichten.

Links:

  1. https://www.nature.com/articles/s43247-024-01921-7
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184695.bronzezeit-fruehe-vorlaeufer-des-euro.html?sstr=Bronzezeit
  3. https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2419630121
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185107.klimaforschung-im-buch-des-eises-lesen.html