Es kommt nicht so oft vor, dass Entscheider von Bayern München, Borussia Dortmund und Rasenballsport Leipzig sofort einer Meinung sind. Doch wenn eines bei der Erschließung neuer Zielgruppen nicht hilft, dann das, was mal zum DFB-Pokalfinale 2017 erprobt wurde: Helene Fischer in der Pause singen zu lassen. Eine Halbzeitshow als Eigentor[1]. Niedergebuht vom Publikum. Und so beteuerten Bayerns Finanzvorstand Michael Diederich, Dortmunds Geschäftsführer Carsten Kramer und der Leipziger Kollege Johann Plenge dieser Tage auf dem Sportbusinesskongress Spobis in Hamburg, dass beim Pokalfinale auch weiterhin andere Gesetzmäßigkeiten der Vermarktung gelten als beim Super Bowl, der an diesem Sonntag wieder steigt.
Deutscher Fußball ist nicht American Football. Gleichwohl: Der US-Markt ist derjenige, den es für die Bundesligisten besser zu beackern gilt. Donald Trump hin oder her. Diederich verdeutlichte, dass mit der Klub-WM in diesem Sommer, dann mit der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko[2] eine einmalige Chance bestehe, dort einen geldwerten Fußabdruck zu hinterlassen. Motto: »It’s now or never!« Jetzt oder nie. Bei stagnierenden nationalen Erlösen sei die internationale Vermarktung für das künftige Wachstum elementar. Doch es reiche selbst für den Rekordmeister nicht, nur ein Büro in New York aufzumachen. »Das ist harte Kärrnerarbeit!«
Im vergangenen Sommer waren RB Leipzig[3] und Eintracht Frankfurt in den USA unterwegs, Dortmund und Bayern in Asien – der Rest bereitete sich zumeist im idyllischen Alpenpanorama vor. Es könne nicht sein, dass die Premier League in den USA regelmäßig Turniere veranstalte, kritisierte Kramer, »und wir bekommen dort nicht mal drei Vereine hin«. Es müssten alle versuchen, die Auslandserlöse von bislang nur 200 Millionen Euro zu steigern.
Die Deutsche Fußball-Liga[4] (DFL) hat einen Vertrag mit der Relevent Sports Group geschlossen, um das Marketing in Nord-, Mittel- und Südamerika sowie der Karibik in Schwung zu bringen. Während sechs Relevent-Manager nach Frankfurt kamen, um sich bei einem Workshop zu präsentieren, waren dort lediglich neun Klubmanager zugegen – 13 Vereine fehlten ganz. Ein Detail, das das Desinteresse verdeutlicht.
Kramer hielt der Liga auf dem Event mit mehr als 4000 Sportbusiness-Gästen den Spiegel vor: Man sei nicht mehr auf Augenhöhe, was das Niveau der Premier League wie auch der Champions League angehe. Sportlich wie wirtschaftlich. Dass nur Bayer Leverkusen[5] direkt das Achtelfinale der Königsklasse erreicht hat, ausgerechnet die bei der Klub-WM spielenden Bayern und Dortmunder Extrarunden in den Playoffs drehen, sind Alarmzeichen. Dortmunds Marketingexperte regte deshalb auf allen Ebenen »mehr Offenheit« für Veränderungen an. Die Einführung der Ligaphase in den Europapokalwettbewerben habe doch gezeigt, dass nicht jede Reform gleich eine Revolution bedeute.
Plenge erinnerte in diesem Zusammenhang an die Weste mit integrierter Kamera, die Leipzigs Spieler Kevin Kampl bei der US-Tour probeweise in einem Spiel gegen Aston Villa getragen habe. »Da sind fantastische Bilder rausgekommen.« Der Seitenblick zur NBA oder NFL könne nicht schaden, um junge Generationen abzuholen. Auch die Formel 1 mache vor, was mit Drohnen und Funkgeräten alles möglich ist. Ob aber eine Bodycam in der Bundesliga durchsetzungsfähig ist? DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel kann sich so etwas durchaus vorstellen: »Wir brauchen mehr Zugänge, mehr Interviews, wir müssen das Produkt interessanter machen.« Ein Interview nach der Busankunft am Stadion ist künftig verpflichtend. Und bald will auch die Bundesliga nach jedem Spiel einen »Player of the Match« küren. Auf solche Maßnahmen können sich alle Verantwortlichen noch verständigen – doch ansonsten geht eine imaginäre Trennlinie durch den deutschen Profifußball.
Gerade in der 2. Bundesliga ist das Grummeln groß, nachdem das DFL-Präsidium den Verteilerschlüssel für die Medieneinnahmen so gut wie unverändert gelassen hat. Matthias Tillmann, Vorstandchef vom FC Schalke 04, monierte: »Wir sind nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Was mir persönlich fehlt, ist eine Vision, eine Strategie: Wohin wollen wir alle mit der Liga?« Alexander Jobst als Vorstandsvorsitzender von Fortuna Düsseldorf warnte vor einer wachsenden Kluft. Denn: »Das uneingeschränkte Wachstum ist vorbei – das ist für mich glasklar.« Auch bei Sponsoring oder Ticketing seien Grenzen erreicht.
Axel Hellmann, Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt, sieht sich als Brückenbauer zwischen den 36 Lizenzvereinen. Nicht nur Preußen Münster und Bayern München verfolgen andere Absichten, sondern schon Eintracht Frankfurt hätte andere Interessen als der 1. FC Heidenheim. »Wir müssen uns der strategischen Debatte stellen, weil wir durch die Verteilerdiskussion Probleme durch die Hintertür zu lösen versuchen, die wir schon im Vorfeld angehen müssten.«
Auf einer DFL-Klausurtagung Ende März soll alles auf den Tisch kommen. Hellmann: »Wir werden uns tief in die Augen zu schauen: Wo landen wir in vier Jahren?« Sein Rat: »Erst mal muss der Kuchen größer werden, bevor wir die Stücke schneiden. Wir brauchen mehr unternehmerische Beinfreiheit.« Man sei bei der jüngsten Rechtevergabe mit den konkurrierenden Anbietern Dazn und Sky »noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen«. Doch einen Alternativplan hätte man nicht gehabt: »Das darf uns nicht wieder passieren.« Hellmann kann sich vorstellen, selbst Bundesliga-Fußball auf einer Plattform anzubieten. Aber ob sich damit Mehrerlöse generieren lassen? Selbst Merkel nahm diesen Vorschlag (noch) nicht auf.
Michael Ströll, Geschäftsführer vom FC Augsburg, empfahl eine ganz andere Sichtweise – nämlich weg vom Turbokapitalismus: »Die letzten Jahre, Jahrzehnte sind wir dem Geld hinterhergelaufen. Wo landet es denn? Selten in Nachhaltigkeit, sondern in den meisten Fällen bei Spielern, Beratern und Transfers.« Diesen Teufelskreis müsse man durchbrechen. Sein Tipp: »Wir müssen smarter sein als andere Ligen.« Überdies sei es für die Bundesliga ein großer Fehler, immer noch der Premier League nachzueifern: »Wir werden sie nie einholen.« Ob mit oder ohne Helene Fischer.