Der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fordert längere Arbeitszeiten. Die Tendenz müsse wieder mehr gen 40 Stunden gehen[1], sagt er, dann steige die Effizienz der Volkswirtschaft. Das ist eine oft gehörte Sicht der Unternehmer*innen – als Mittel gegen den Fachkräftemangel[2], der einfachen Logik folgend: Wenn mehr Stunden gearbeitet werde, lindere das den Engpass in den Branchen. Klingt plausibel, greift aber oft zu kurz.
Auf Mehrarbeit zu pochen, wie es auch gerne Politiker*innen der Unionsparteien und der FDP machen, ist nicht wirklich geeignet, um Probleme, die es in vielen Branchen gibt, zu beheben. Eine solche Forderung missachtet nämlich Ursachen, weshalb viele Menschen nicht noch mehr arbeiten wollen. In der Schule fehlt es beispielsweise an Lehrkräften, und die Arbeitsbelastung hat dadurch zugenommen, sodass viele Pädagog*innen darüber nachdenken, ihre Arbeitsstunden zu reduzieren, um nicht auszubrennen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in den Kitas, auch dort fehlen Pädagog*innen, und in vielen Einrichtungen gibt es belastende Arbeitsbedingungen. Oder in der Pflege, wo der Arbeitsdruck enorm ist. Bei der Bahn, im Handwerk oder bei der Polizei ist es dasselbe.
Wenn es Engpässe in einer Einrichtung oder im Unternehmen gibt, steigt die Belastung und die Attraktivität des Berufs nimmt ab. Notwendig sind daher Investitionen, um dem entgegenzuwirken und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) scheint das erkannt zu haben. Er gehört zu den wenigen Konservativen, die ein Sondervermögen für Bildung fordern, um bessere Grundlagen für die Erwerbsarbeit zu schaffen.
Auch Unternehmerchef Dulger wünscht sich eine funktionierende Kinderbetreuung. Kurze Öffnungszeiten und Ausfalltage in den Kitas stellen Eltern nämlich vor große Probleme und zwingen vor allem Frauen in die tradierte Rolle der Hausfrau zurück. Viele andere überfordert der Spagat zwischen Kindererziehung und Arbeit. Bislang nimmt die Politik diese Zustände billigend in Kauf. Dabei müssten Voraussetzungen geschaffen werden, damit sich die Familien gut organisieren können – auch eine Ganztagsbetreuung in den Grundschulen gehört dazu. Ebenso müsste branchenübergreifend die Qualität der Arbeit verbessert werden; das sollte auch der Arbeitgeberpräsident sehen. Denn wenn Berufstätigkeit einem Hamsterrad gleicht, werden nicht viele Mehrarbeit erstrebenswert finden.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188901.arbeit-und-leben-raus-aus-dem-hamsterrad.html