Anna-Lena Forster ist zweifellos der Star der deutschen Para-Wintersportszene. Viermal Paralympics[1]-Gold hat die 29-jährige Monoskibob-Fahrerin aus Radolfzell schon gewonnen, dazu neun WM-Titel. Am Samstag verpasste Forster um 1,74 Sekunden ihr zehntes WM-Gold. Bei der Para-Alpin-Weltmeisterschaft in Maribor reichte es im Riesenslalom »nur« zu Silber. Dabei war die erste gute Nachricht, dass die Para-Athletinnen überhaupt starten durften.
Wegen Schneemangels[2] und zu hoher Temperaturen mussten die Disziplinen Abfahrt, Kombination und Super-G in Slowenien gestrichen werden. Zumindest im Riesenslalom und Slalom finden die WM-Wettkämpfe nun noch statt. Viele bewegte Bilder sehen oder Texte lesen wird man davon in der Öffentlichkeit allerdings nicht. Die außergewöhnlichen Leistungen der Sportstars mit Behinderung finden abseits der Paralympics weiterhin kaum Beachtung.
Ein Jahr vor Beginn der Winterspiele in Mailand und Cortina sorgt das für Frust in der Szene. »Es wäre wichtig, dass wir mehr Rennen haben, die im Rahmen von Europacups oder Weltcups der Nichtbehinderten stattfinden. Es wäre vieles machbar, wenn es gewollt wäre«, schimpfte Protagonistin Forster noch vor Beginn der WM. »Ich habe auch den Eindruck, dass der Ski-Weltverband Fis noch mehr tun könnte.« Im Alpin-Bereich ist diese Kritik durchaus berechtigt. Zumindest im Skilanglauf zeigt der Weltverband in diesem Jahr aber, dass es auch anders geht.
Am 4. und 5. März werden auf der großen Bühne der Nordischen Ski-WM der Nichtbehinderten in Trondheim erstmals Goldmedaillen im Para-Skilanglauf-Sprint vergeben. »Bei der Fis setzen wir uns voll und ganz dafür ein, Inklusion zu fördern. Die Einbeziehung von Para-Events[3] in große Meisterschaften steht im Einklang mit unserer Mission, alle Facetten des Schneesports aufzuwerten«, erklärte der Internationale Skiverband auf Anfrage. Sandra Spitz, Sport- und Veranstaltungsdirektorin der Fis, fügte hinzu: »Es könnte verschiedene Szenarien für die Einbeziehung geben. Wir sollten uns nach Trondheim 2025 die Zeit nehmen, die Situation zu bewerten, um das beste Ergebnis für Para-Sportler und Nichtbehinderte zu erzielen und einen Dialog mit zukünftigen Gastgebern führen.«
Das klingt verheißungsvoll, zumindest für den Bereich Skilanglauf. Im alpinen Skisport, wo die Weltmeisterschaften der Nichtbehinderten aktuell in Saalbach-Hinterglemm[4] stattfinden, bewertet die Fis die Lage allerdings anders: »Obwohl das Beispiel von Trondheim 2025 inspirierend ist, unterscheiden sich die Anforderungen des alpinen Skisports erheblich von den nordischen Disziplinen«, heißt es vom Weltverband. Beim Para-Skifahren seien weichere Oberflächenbedingungen erforderlich als bei Wettbewerben für Nichtbehinderte, was es schwierig mache, beide Veranstaltungen gleichzeitig auf derselben Piste auszutragen. Es dürfe für keine der beiden Gruppen »Kompromisse in Sachen Sicherheit und Leistungsqualität geben«.
Der Traum gemeinsamer Alpin-Wettbewerbe scheint für Anna-Lena Forster und Co deswegen vorerst in weiter Ferne zu bleiben. Dabei würde eine Einbeziehung in die Saison-Highlights der Nichtbehinderten automatisch mehr Zuschauerinteresse, TV-Bilder und Sponsoren bedeuten. Bisher machte die Fis eine TV-Übertragung nicht einmal bei der Para-Alpin-WM zur Pflicht, weil die Kosten für viele Organisatoren zu hoch sind.
Ähnlich schlecht sieht es für die Inklusion der Sportstars mit Behinderung im Biathlon aus. Während die Para-WM aktuell ebenfalls in Slowenien stattfindet, tragen die Nichtbehinderten ihre Titelkämpfe ab Mittwoch im schweizerischen Lenzerheide aus. Ein Problem ist hier der teils unterschiedliche Ablauf des Schießens: Während bei Gesamtweltcup-Spitzenreiterin Franziska Preuß und Co scharf geschossen wird, zielen beispielsweise die sehbehinderten Para-Biathletinnen mit Laserwaffen und ausschließlich unter Nutzung ihres Gehörs auf die Ziele.
Trost in Sachen Inklusion für die Para-Skijäger: Viele von ihnen starten auch im Para-Langlauf und da steht ja in Trondheim Anfang März das größte Event in der Geschichte des Sports abseits der Paralympics an.