In Genf wird derzeit jeder Stein umgedreht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sucht dringend nach Möglichkeiten, Geld einzusparen: Es gibt einen Einstellungsstopp, den 8000 Beschäftigten sind Reisen weitgehend untersagt, und es werden Lieferverträge neuverhandelt, um Preisnachlässe zu erhalten. Das Problem: Der bislang größte Beitragszahler USA hat seinen Austritt verkündet.
Wirksam wird der Schritt zwar erst in einem Jahr, aber niemand rechnet damit, dass Washington den Pflichtbeitrag für das laufende Zweijahresbudget 2024/25 noch bezahlen wird. Bisher sind die 264 Millionen US-Dollar nicht überwiesen. Hinzu kommt, dass die neue US-Regierung die bilaterale Entwicklungshilfe für den globalen Süden weitgehend gestoppt hat. Gesundheitsprogramme sind hier ein Schwerpunkt.
Die USA decken bislang 18 Prozent des Budgets der WHO, über die Pflichtbeiträge und die deutlich höheren freiwilligen Zahlungen. So finanziert Washington 75 Prozent des globalen Aids- und Hepatitis-Programms, 61 Prozent bei Tuberkulose und 29 Prozent bei der Stärkung von Gesundheitssystemen ärmerer Länder für Notlagen. Der Budgetausschuss der chronisch unterfinanzierten UN-Organisation will dennoch die Basisausgaben konstant halten – 4,9 Milliarden Dollar für die Jahre 2026/27. [1]In Genf hofft man, dass andere Staaten wie China und die EU-Länder mit höheren Zahlungen einspringen, was jedoch als wenig realistisch gilt. Dann würde die Abhängigkeit von privaten Geldgebern wie der Gates Foundation weiter wachsen, ebenso deren Einfluss auf die WHO-Arbeit.
Schon im Jahr 2021 zu Beginn der Corona-Pandemie hatte Trump den Austritt der USA angekündigt, dieser wurde aber nicht mehr wirksam und von Nachfolger Joe Biden rückgängig gemacht. Diesmal handelt Trump gleich zu Beginn seiner Amtszeit. Begründung: Die UN-Organisation verlange »unfair hohe Zahlungen« von den USA, etwa im Vergleich zu China, und habe es versäumt, »dringend benötigte Reformen« zu verabschieden. WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus wies dies entschieden zurück: In den vergangenen sieben Jahren habe die WHO die »tiefgreifendsten und umfangreichsten Reformen« in ihrer Geschichte vorgenommen, um ihre Kosteneffizienz und Wirkung in den Ländern zu verbessern.
Doch es sind gerade einige Reformen, die den Ultrakonservativen in den USA ein Dorn im Auge sind. Dazu gehören die 2024 verabschiedeten neuen internationalen Gesundheitsvorschriften genauso wie der Vertrag über bessere Pandemievorsorge, an dem noch immer gearbeitet wird. [2]Hinzu kommt, dass Frauenrechte in WHO-Projekten zunehmend betont werden und der Klimawandel eine größere Rolle spielt.
Trump hat es indes nicht nur auf die WHO als leitende und koordinierende Behörde für die internationale Gesundheitsarbeit abgesehen. Seine Administration geht mit der Abrissbirne gegen alle Entwicklungshilfe vor. Hier stellten die USA allein im Jahr 2023 über 20 Milliarden US-Dollar für den Gesundheitsbereich bereit, 40 Prozent der weltweiten Mittel. Lawrence O. Gostin, Experte für globales Gesundheitsrecht an der Georgetown University, erwartet daher »enorme Auswirkungen auf die Gesundheit insbesondere der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen der Welt«. Er weist ferner darauf hin, dass die Trump-Administration die verbleibenden Zahlungen mit Anti-Abtreibungs-Klauseln versehen und verstärkt auf religiöse Organisationen bei der Vergabe setzen werde. »Das gefährdet die sexuellen und reproduktiven Rechte weltweit.«
Auch Ralf Reintjes, Epidemiologe an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, geht davon aus, dass ein Austritt der USA »die Tätigkeit der WHO stark schwächen würde«. Neben finanziellen Mitteln gehe es auch um Expertise. Der US-Gesundheitsdienst CDC, den die Trump-Adminsitration ebenfalls stark verkleinern will, bietet mit seinem Netzwerk in vielen Ländern finanzielle und logistische Unterstützung, Schulungen und Notfallmaßnahmen. Die Behörde unterstützt globale Partner bei der Nachverfolgung und der Eindämmung von Epidemien. »Der Verlust von Fachwissen wird den Fortschritt bei der Pandemievorsorge und der Ausrottung von Krankheiten verringern«, befürchtet Reintjes.
Aus immer mehr Ländern gehen derweil Berichte über bereits spürbare Folgen ein: Besonders stark betroffen sind demnach Programme für HIV-Tests, Gebärmutterhalskrebs-Screening bei Frauen, die mit HIV leben, aber auch Betreuungsdienste nach geschlechtsspezifischer Gewalt und der Zugang zu antiretroviraler Therapie. In Kenia, Tansania und Uganda mussten zahlreiche Kliniken geschlossen werden. In Mosambik droht laut NGOs gar ein völliger Kollaps der Gesundheitsversorgung. Die Zahl der gekündigten Ärzte, Pfleger und kommunalen Gesundheitshelfer dürften allein in Subsahara-Afrika in die Tausende, wenn nicht gar Zehntausende gehen.