Es ist eine traurige Bilanz: 55 Verkehrstote gab es 2024 in Berlin – gegenüber den 33 Toten im Vorjahr eine deutliche Steigerung. Betroffen waren vor allem nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer: 26 Fußgänger und elf Fahrradfahrer starben bei Unfällen. Zudem starben acht Motorrad- und vier Autofahrer – letztere mehrheitlich bei selbstverursachten Unfällen[1].
Eigentlich hat sich die Hauptstadt mit dem Mobilitätsgesetz auf die »Vision Zero« verpflichtet – also auf das Ziel, die Zahl der Verkehrstoten auf null zu reduzieren. Der Senat will nun diesem Ziel mit einem Verkehrssicherheitskonzept näherkommen. Ein entsprechendes Papier beschloss der Senat am Dienstag bei seiner Sitzung.
»Wir möchten kontinuierlich daran arbeiten, die Zahl der Verkehrstoten zu senken«, sagte Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) im Anschluss an die Senatssitzung. Dafür habe man 60 Einzelmaßnahmen ausgearbeitet. Zu ihnen gehört etwa, dass die Haltelinien an Ampeln verschoben werden sollen. »Sichtbeziehungen können verbessert werden, insbesondere an Kreuzungen«, sagte Bonde. Autofahrer sollen entsprechend etwas weiter vor der Ampel halten, während Radfahrer näher an sie heranrücken sollen. So soll verhindert werden, dass es zu Abbiegeunfällen kommt.
Als weitere geplante Maßnahme nannte Bonde, Fußgängerüberwege besser sichtbar zu machen. Sie sollen besser von Parkzonen abgetrennt werden, um zu verhindern, dass Menschen hinter den parkenden Autos für Autofahrer unsichtbar werden. »Man muss Fußgängerüberwege nicht bis an die Grenze zuparken«, so Bonde.
Ein besonderes Augenmerk soll auf Unfallschwerpunkte gelegt werden. Eine »Unfallkommission« habe bereits ihre Arbeit aufgenommen, berichtete Bonde. Die aus Verkehrsfachleuten zusammengesetzte Kommission begutachte demnach nach schweren Unfällen die Unfallorte und prüfe, ob »infrastrukturelle Begebenheiten« die Kollisionen befördert hätten. Die Kommission erarbeite dann Vorschläge, wie die Unfallorte umgestaltet werden könnten. »Die Bezirke sind dann in der Verantwortung für die Umsetzung«, sagte Bonde.
»Wenn sich jeder den Regeln entsprechend verhalten würde, käme es zu so gut wie keinem Unfall mehr«, sagte Bonde. Daher soll die Verkehrsbildung ausgebaut werden – selbst schon bei den Kleinsten. »Wir müssen in der Kita schon beginnen, Erziehungsangebote zu geben«, so Bonde. Bei einer anderen Kampagne setzt man auf eine indirekte Wirkung: Die »Monster«-Kampagne, die die Verkehrssenatorin im vergangenen Jahr vorgestellt hat, soll vor allem die Aufmerksamkeit von Kindern auf sich ziehen. Auf den Plakaten stellen die Monster schlechtes Verkehrsverhalten dar. »Damit die Kinder dann sagen: Guck mal, Mama, du verhältst dich genauso wie dieses Monster«, so Bonde.
Nicht nur der Senat, sondern auch die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus haben am Dienstag ein eigenes Verkehrssicherheitskonzept vorgestellt – die Terminüberschneidung sei zufällig, wie Parteivertreter rund um die Pressekonferenz versicherten. Wenig überraschend setzen sie andere Schwerpunkte als der Senat und wollen ungleich stärker in die Verkehrsinfrastruktur eingreifen. »Andere Städte machen vor, wie es geht«, sagte die Grüne-Verkehrspolitikerin Oda Hassepaß.
»Die Chance, beim Rasen erwischt zu werden, geht gegen null.«
Antje Kapek (Grüne)
Verkehrspolitische Sprecherin
Mehr noch als der Senat wollen die Grünen die Straßen umbauen. Demnach sollen Fahrradwege flächendeckend auf 2,50 Meter verbreitert werden, auf Hauptstraßen sogar auf drei Meter. An Fußgängerüberwegen sollen Gehwege leicht auf die Straße reichen, um Fußgänger besser sichtbar zu machen. Poller und Bodenschwellen sollen den Verkehr beruhigen. »Wir wollen eine Infrastruktur, die vergibt, wenn man Fehler begeht«, so Hassepaß.
Vor allem aber wollen die Grünen den Verkehr verlangsamen: Sie wollen auf möglichst vielen Straßen Tempo 30 einführen[2]. »Überall, wo flächendeckend Tempo 30 umgesetzt wird, gibt es weniger Verkehrstote«, sagte Hassepaß. Bei Tempo 50 komme es häufiger und zu schwereren Unfällen, so die Verkehrspolitikerin.
Verkehrssenatorin Bonde kann damit wenig anfangen. »Regelgeschwindigkeit in Deutschland ist Tempo 50«, sagte sie auf das Thema angesprochen. Für Tempo 30 gebe es strenge Vorgaben. Weil diese häufig nicht erfüllt werden, rechne sie damit, dass an vielen Straßen die Richtgeschwindigkeit sogar wieder erhöht werden muss. Danach gefragt, ob der Senat plane, Spielräume für mehr Tempo-30-Zonen, die sich durch die neue Straßenverkehrsordnung ergeben, zu nutzen, antwortete sie, dass man zunächst auf Verwaltungsvorschriften vom Bund warte.
Offener zeigte sie sich für einen anderen Vorschlag der Grünen: Die Linksliberalen wollen deutlich mehr Blitzer installieren. »Der einzige Weg, Menschen dazu zu bringen, sich an Verkehrsregeln zu halten, ist Kontrolle«, sagte die Grüne-Abgeordnete Antje Kapek. Zurzeit gebe es gerade mal 44 Blitzer im ganzen Stadtgebiet. »Die Chance, beim Rasen erwischt zu werden, geht gegen null«, so Kapek. Dabei setzen die Grünen auch auf technische Innovationen: In Ampeln sollen Verkehrskameras installiert werden, die Raser und Rotfahrer automatisch erfassen sollen. »Natürlich ganz datenschutzkonform«, versichert Kapek.
»Grundsätzlich ist es sinnvoll, Geld in die Überwachung zu investieren«, kommentierte Verkehrssenatorin Bonde den Vorschlag. Ob es machbar sei, Kameras in Ampeln zu verbauen, müssten Fachleute entscheiden. Zuständig für die Installation von Blitzern sei aber die Senatsinnenverwaltung.