nd-aktuell.de / 14.02.2025 / Politik / Seite 1

Thüringen: AfD verhindert die Besetzung wichtiger Gremien

Mit ihrer Sperrminorität im Erfurter Landtag verhindert die rechtsextreme Partei die Besetzung zweier wichtiger Gremien

Sebastian Haak
Björn Höckes’ AfD-Fraktion hat seit den vergangenen Landtagswahlen eine Sperrminorität, also mehr als ein Drittel der Stimmen.
Björn Höckes’ AfD-Fraktion hat seit den vergangenen Landtagswahlen eine Sperrminorität, also mehr als ein Drittel der Stimmen.

Es ist nicht absehbar, wann in Thüringen der nächste Richter oder der nächste Staatsanwalt auf Lebenszeit ernannt wird – wegen einer Machtprobe zwischen der AfD und den anderen im Landtag in Erfurt vertretenen Fraktionen. Das dürfte allerdings nur ein Vorspiel für noch andere zukünftige Konflikte in diesem Parlament sein – und ist gleichzeitig ein Lehrbeispiel dafür, welche ganz konkreten Auswirkungen es haben kann[1], wenn eine als extremistisch eingestufte Fraktion eine parlamentarische Sperrminorität erreicht.

Genau die hat die AfD bei den jüngsten Landtagswahlen in Thüringen bekommen. Trotz aller Warnungen vor der AfD und ihrer Programmatik und davor, dass die Partei ihre parlamentarische Macht wohl ziemlich sicher ausnutzen werde[2], hatten 32,8 Prozent der Thüringer Wähler am 1. September 2024 der AfD ihre Stimme geben. Macht 32 von 88 Landtagssitzen, womit die Partei mehr als ein Drittel der Mandate im Parlament stellt und damit alle Entscheidungen blockieren kann, die mit Zwei-Drittel-Mehrheit getroffen werden müssen.

Und zu diesen Entscheidungen gehört auch: die Konstituierung eines Richterwahlausschusses sowie eines Staatsanwaltswahlausschusses. Jeweils zehn Abgeordnete des Landtages müssen in diese Ausschüsse gewählt werden, mit Zweidrittelmehrheit. Stimmt die AfD den Wahlvorschlägen von CDU, BSW, SPD und Linke nicht zu, sind beide Gremien nicht arbeitsfähig, und ohne diese können eben keine Richter und Staatsanwälte auf Lebenszeit ernannt werden. In Zeiten, in denen in der Thüringer Justiz ein Generationenwechsel in vollem Gange ist und junge Richter und Staatsanwälte dringend gebraucht werden, ein großes Problem.

»Es ist völlig inakzeptabel, dass die Sperrminorität instrumentalisiert wird und so die Justiz lahmgelegt wird.«

Tanja Keller, Neue Richtervereinigung

Dennoch verweigert die AfD den Nicht-AfD-Abgeordneten ihre Zustimmung, vor allem weil es unlängst aus den Reihen von CDU, BSW, SPD und Linke nicht genügend Stimmen gab, um den AfD-Abgeordneten Jörg Prophet zum Vizepräsidenten des Landtags zu machen. Zuletzt beklagte vor diesem Hintergrund die Neue Richtervereinigung das, was schon andere Juristenverbände und auch Landespolitiker im Freistaat beklagt hatten: »Die bewusste Verhinderung der Neuwahl der Mitglieder des Richter- sowie des Staatsanwaltswahlausschusses durch die AfD ist ein klarer Missbrauch der parlamentarischen Regeln und eine Gefährdung unserer demokratischen Ordnung«, so die Sprecherin des Bundesvorstands der Neuen Richtervereinigung, Tanja Keller. »Es ist völlig inakzeptabel, dass die Sperrminorität instrumentalisiert wird und so in letzter Konsequenz die Justiz lahmgelegt wird.« An der AfD freilich wird auch diese Kritik abprallen.

Wie diese Machtprobe im Thüringer Landtag ausgehen wird, ist derzeit auch deshalb völlig offen. Umso mehr, weil es natürlich schon eine Provokation der AfD war, ausgerechnet Prophet für das Amt eines Landtags-Vizepräsidenten vorzuschlagen. Der Mann wollte in der Vergangenheit bereits Oberbürgermeister von Nordhausen werden. Im Wahlkampf waren dann Texte von ihm aufgetaucht, in denen er geschichtsrevisionistische Positionen vertritt, die denen des Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke kaum nachstehen. Unter anderem das Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos hatte sich deshalb unmissverständlich gegen diesen Personalvorschlag gestellt. Sollte Prophet tatsächlich gewählt werden, werde das Komitee nicht mehr an Gedenkveranstaltungen im Landtag teilnehmen, hatte dessen Präsident Naftali Fürst beispielsweise erklärt.

Eine noch größere Provokation aber ist, dass Höcke zuletzt den Preis für ein Entgegenkommen seiner Fraktion bei der Bildung des Richter- sowie des Staatsanwaltswahlausschusses noch weiter in die Höhe getrieben hatte. Eine Zustimmung zu den entsprechenden Kandidaten der anderen Fraktionen für diese Gremien werde es nur geben, wenn die AfD auch einen Platz in der Parlamentarischen Kontrollkommission über den Verfassungsschutz erhalte, hatte Höcke im Januar gesagt, kurz bevor Prophet bei der Wahl wieder durchgefallen und die Bildung der beiden Ausschüsse erneut gescheitert war. »Uns schwebt eine Paketlösung vor.«

Diesen Vorstoß hatten sogar CDU und BSW sofort abgelehnt, also die beiden Fraktionen, in deren Reihen Menschen sitzen, die sich – zumindest zwischenzeitlich – eine Wahl von Prophet hätten vorstellen können.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185574.afd-sitzung-im-thueringer-landtag-der-versuch-einer-machtergreifung.html?sstr=sperrminorität
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184989.landtagswahl-thueringen-voelkische-sperrwerkzeuge.html?sstr=sperrminorität