»Wir wollen niemanden mehr abweisen müssen, sondern die Nachfrage, die wir aktuell mit dem Angebot erzielen, befriedigen können.« Nina Pritsenz vom Berliner Drug-Checking-Projekt[1] setzt sich vor den Abgeordneten des Gesundheitsausschusses entschieden für einen Ausbau der vom Senat geförderten Arbeit ein. In dessen Sitzung am Donnerstag diskutierten die Politiker*innen lange über Berlins Drogenpolitik und hatten Pritszens zu einer Anhörung eingeladen. Diese ist Geschäftsführerin des Suchthilfeträgers Vista Berlin, der zusammen mit Fixpunkt und der Schwulenberatung das Berliner Angebot zur Beratung und Prüfung von Drogen betreibt.
Das Drug-Checking-Projekt hält auch die Senatsgesundheitsverwaltung für einen Erfolg. Eine Evaluierung des Projektes hatte unter anderem ergeben, dass viele Konsument*innen die Finger von Substanzen lassen[2], die sich in der Untersuchung als mit anderen Stoffen verunreinigt herausstellten. Das Ergebnis freut auch Pritszens: »Drug-Checking wirkt und hat einen direkten Einfluss auf die Konsumentscheidung.«
Umso ärgerlicher ist es, dass das Projekt 2023 und 2024 fast die Hälfte der interessierten Konsument*innen abweisen musste. So konnten sich zwar in beiden Jahren insgesamt 1586 Menschen beraten und ihre Drogen untersuchen lassen[3], 1357 Menschen wiederum mussten unverrichteter Dinge heimkehren, weil die Laborkapazitäten und das Beratungspersonal gefehlt habe, so Pritszens. Weil dem Interesse am Angebot schon jetzt nicht nachzukommen sei, verzichte man auf eine Bewerbung des Angebots in sozialen Medien.
»Wir wollen niemanden mehr abweisen müssen, sondern die Nachfrage, die wir aktuell mit dem Angebot erzielen, befriedigen können.«
Nina Pritszens Drug-Checking Berlin
Doch nicht nur die existierende Beratungs- und Untersuchungsstruktur braucht mehr Kapazitäten, um dem Bedarf nachzukommen. Pritszens berichtet, dass bislang hauptsächlich Menschen im Alter von 30 Jahren oder mehr das Drug-Checking-Angebot wahrnehmen. »Die Jüngeren, die sicherlich auch einen Risikokonsum aufweisen, sprechen wir mit dem Angebot, dass man in eine Beratungsstelle gehen muss und dann noch drei bis vier Tage auf das Ergebnis wartet, noch nicht so gut an«, sagt sie. Um diese Zielgruppe besser zu erreichen, müsse man »vor Ort im Nachtleben« unterwegs sein.
Außerdem seien weniger als zwei Prozent der geprüften Drogen Opiate gewesen. »Für jemanden, der heroinabhängig ist, ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, die Substanz abzugeben und erst drei, vier Tage später nach Ergebnis zu konsumieren.« Diese Gruppe an Konsument*innen, die dem höchsten Risiko zu sterben ausgesetzt sei, erreiche man also nur ungenügend. »Wir müssen ganz dringend ein Angebot in Drogenkonsumräumen installieren.« In anderen Bundesländern zeige sich bereits, dass verstärkt gefährliche synthetische Opioide in Drogenkonsumräumen auftauchen. »Es ist wichtig, dass wir uns vorbereiten.«
Aus der Gesundheitsverwaltung kommen eher verhaltene Töne zum notwendigen Aufwuchs der Ressourcen des Drug-Checking-Projekts. Aufgrund der Haushaltslage habe man »eine Deckelung drauf«, sagt Gesundheitsstaatssekretärin Ellen Haußdörfer. »Was gesundheitspolitisch gewollt ist«, könne eben fiskalisch nicht unbedingt gleich verwirklicht werden. Dennoch wolle man sich »im Rahmen unserer Möglichkeiten« für eine »Fortführung und Ausweitung des Projekts« ab 2026 einsetzen.