Mönchengladbach, Leverkusen, Bochum und Dortmund haben dagegen gestimmt. Nein, es geht nicht um irgendetwas beim Fußball, sondern um die Bezahlkarte für Geflüchtete[1]. In Nordrhein-Westfalen können die Kommunen sich gegen die Einführung in ihren Einrichtungen entscheiden. Diese Opt-Out-Regelung feierten die Grünen als Erfolg ihrer Beteiligung an der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Für viele Städte scheint die Möglichkeit, die Bezahlkarte abzulehnen, ein Segen zu sein. Ihre Verwaltungen warnen vor einem Mehraufwand.
In Leverkusen etwa legte die Stadtverwaltung eine ausführliche Beschlussvorlage gegen die Einführung der Bezahlkarte vor. Das Hauptargument: der mit der Karte verbundene Mehraufwand für die Verwaltung. Bisher hätten 97 Prozent der Asylsuchenden ein Girokonto. Damit komme man gut zurecht. Bei Einführung der Bezahlkarte müsse man die Bargeldgrenze, vorgesehen sind 50 Euro pro Person und Monat, ständig individuell neu berechnen. Weil Sonderleistungen, etwa für Schulmaterialien, als Geldleistungen zur Verfügung stehen. Auch sei mit Einführung der Bezahlkarte jede Überweisung, die ein Kartennutzer macht, »genehmigungspflichtig«. In der Beschlussvorlage aus Leverkusen heißt es, die Einführung der Bezahlkarte sei »resourcenintensiv« und stelle die Verwaltung vor »erhebliche organisatorische Herausforderungen«. Am Montag lehnte der Leverkusener Stadtrat die Einführung der Bezahlkarte ab. Für die Karte stimmten die Entbürokratisierungsparteien CDU und FDP und die rassistische AfD.
In Mönchengladbach haben SPD, Grüne, Linke und die Partei am Mittwoch mit einer Stimme Mehrheit die Einführung der Bezahlkarte verhindert. Torben Schultz, Fraktionsvorsitzender der Linken im Mönchengladbacher Rat[2], ist froh über die Entscheidung. Zu »nd« sagt er, dass die Bezahlkarte schon alleine aus praktischen Gründen falsch sei. »Die Karte verursacht viel mehr Aufwand, was dann an Personal an anderer Stelle fehlen würde. Und Studien belegen, dass nahezu keine Überweisungen ins Ausland durch Geflüchtete stattfinden und die Menschen nicht wegen der Sozialleistungen kommen, die Karte also keine ›Pull-Faktoren‹ minimiert.«
Auf der menschlichen Seite sieht Schultz auch noch die vielen Ungerechtigkeiten, die mit der Einführung der Bezahlkarte verbunden wären. Günstig auf dem Flohmarkt oder im Sozialkaufhaus einkaufen – mit der Bezahlkarte unmöglich. »Nicht mal jede Bäckerei nimmt die Karte, weil es ein spezielles Visa-System ist.« Das Fazit des Linke-Kommunalpolitikers: »Die Karte ist Symbolpolitik der Rechten.[3] Sie wird aber keine Probleme lösen, sondern nur mehr Kosten und Aufwand verursachen. Da investieren wir besser in Integration und Hilfe, da haben alle was davon.«
Neben Städten wie Mönchengladbach, Leverkusen und Düsseldorf, die sich in den vergangenen Tagen für die Opt-Out-Regelung entschieden haben, gibt es viele vor allem große Städte, in denen die Räte sich schon im vergangenen Jahr generell gegen die Einführung der Bezahlkarte ausgesprochen hatten, Dortmund, Münster oder Köln etwa. Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW[4] spricht davon, dass neben Städten, die »aus Überzeugung« gegen die Bezahlkarten votiert haben, jetzt auch immer mehr dazu kommen, die aus »praktischen Erwägungen« dagegen sind.
Dass Städte die Bezahlkarte nicht einführen, bedeutet allerdings nicht, dass in ihnen nicht Geflüchtete mit der Bezahlkarte leben müssen. In NRW gibt es über 50 Landeseinrichtungen, in denen Geflüchtete untergebracht sind. In ihnen wird die Bezahlkarte seit Januar eingeführt. Bis Ende März soll es sie in allen Landeseinrichtungen geben. Birgit Naujoks sagt, dass bei vielen ehrenamtlich Aktiven noch die »Aufmerksamkeit« für die Einführung der Bezahlkarte in den Landeseinrichtungen fehle. Viele von diesen haben mehrere hundert Plätze, oft sind sie in kleinen Orten untergebracht. An Austausch zwischen antirassistisch Aktiven und Geflüchteten mangelt es.
Naujoks glaubt trotzdem, dass es bald Tauschaktionen[5] geben werde und sich Solidaritätsstrukturen bilden werden. In Münster sei gerade eine Initiative in Gründung, die Tauschaktionen für Geflüchtete in einer Landeseinrichtung in der Stadt organisieren wollen. Dass weitere Städte hinzukommen, ist hoffentlich nur eine Frage der Zeit.