nd-aktuell.de / 21.02.2025 / Politik / Seite 1

Überraschende Mehrheit für Platzbenennung nach Kommunistin

Heidelberg: Gemeinderat votierte dafür, einem bisher nach einem Mann mit Naziverstrickungen benannten Platz den Namen Sophie Berlinghofs zu geben

Jana Frielinghaus
Die VVN-BdA veranstaltete am vergangenen Wochenende einen Stadtrundgang zu Lebensstationen Sophie Berlinghofs (1910-2002) mit einer kleinen Kundgebung für die Benennung eines Platzes nach ihr.
Die VVN-BdA veranstaltete am vergangenen Wochenende einen Stadtrundgang zu Lebensstationen Sophie Berlinghofs (1910-2002) mit einer kleinen Kundgebung für die Benennung eines Platzes nach ihr.

Es ist ein kleines Wunder: Obwohl der Hauptausschuss des Heidelberger Gemeinderates vor gut zwei Wochen klar dagegen votiert[1] hatte, wird ein Platz im Stadtteil Handschuhsheim künftig den Namen der KPD-Kommunalpolitikerin Sophie Berlinghof tragen. Das beschloss der Gemeinderat am Donnerstagabend in seiner Sitzung mit deutlicher Mehrheit. Zuvor hatte die Stadtverwaltung dringend davon abgeraten, Berlinghof zur Namensgeberin zu machen, weil sie Kommunistin war und Kommunisten »die Demokratie« bekämpften, wenn auch mit »anderen Methoden« als die Nazis.

Der Platz ist bislang nach dem Pädagogen Karl Kollnig (1910-2003) benannt und sollte umbenannt werden, nachdem von der Stadt beauftragte Historiker ermittelt hatten, dass dieser unter den Hitlerfaschisten nicht nur NSDAP-Mitglied, sondern zuvor bereits in deren Schlägertruppe »Sturmabteilung« (SA)[2] aktiv gewesen war.

Sophie Berlinghof hingegen engagierte sich früh gegen die Nazis, verlor ihren Studienplatz, war zeitweise inhaftiert und hatte wie ihre Eltern, ebenfalls Kommunisten, unter massiven Repressalien zu leiden. Nach dem Krieg engagierte sie sich als Mitglied des Gemeinderates für die Belange der Bürger Heidelbergs – so lange, bis 1956 die KPD verboten wurde. Damit verlor sie ihren Sitz im Stadtparlament. Ihre Wohnung wurde am Tag des Verbots von Polizisten durchsucht, die sie noch aus der Nazizeit kannte – von Verhören, der Mitteilung eines Berufsverbots und später der Zwangsverpflichtung in »kriegswichtigen Betrieben«. Kommunalpolitiker, die früher in der NSDAP waren, unter ihnen Bürgermeister Carl Neinhaus, behielten damals ihre Posten.

Zu ihrem 90. Geburtstag im Jahr 2000 bekam Berlinghof noch Besuch von der damaligen SPD-Bürgermeisterin Heidelbergs, was die Autoren einer Stellungnahme der Stadtverwaltung zur Platzumbenennung im Nachhinein befremdlich fanden.

Doch nun entschlossen sich offenbar insbesondere die Grünen im Gemeinderat, sich bei ihrem Votum nicht von den durch die Verwaltung verbreiteten antikommunistischen Stereotypen leiten zu lassen. Sie stimmten am Donnerstagabend alle für einen Sophie-Berlinghof-Platz. Insgesamt waren 22 Abgeordnete dafür, zehn dagegen, neun enthielten sich, wie Michael Csaszkóczy[3] dem »nd« berichtete. Er war als Bürger bei der Sitzung anwesend. SPD und Linke hatten die Benennung nach Berlinghof von Anfang an unterstützt, nachdem ein Mitglied des Handschuhsheimer Bezirksbeirat im November diesen Vorschlag eingereicht hatte.

Csaszkóczy engagiert sich in Heidelberg seit Jahrzehnten unter anderem in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) und kannte die im Jahr 2002 verstorbene Sophie Berlinghof noch persönlich. Sie hatte die VVN-BdA nach dem Krieg mit aufgebaut.

In der vergangenen Woche veranstaltete Csaszkóczy noch zwei Stadtführungen zu Lebensstationen und Engagement Berlinghofs. Dies dürfte die Stimmung in der Stadt ebenso beeinflusst haben wie zahlreiche Leserbriefe an die Lokalzeitung und Stellungnahmen von Bürgern pro Berlinghof.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188893.antikommunismus-eine-kommunistin-gott-bewahre.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183280.afd-prozess-gegen-hoecke-rache-statt-reue.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160648.jahre-radikalenerlass-die-jagd-ist-nicht-vorbei.html