Man mag wirklich kaum glauben, was da zum Wochenende aus dem Hanauer Rathaus zu vernehmen war[1] – und dass es nicht nur von CDU und FDP, sondern auch von der SPD-Fraktion kam, die den Oberbürgermeister stellt. Da bringt eine Frau, die ihren Sohn durch das rassistische Attentat vor fünf Jahren verloren hat, ihren Zorn über das Versagen des Staates auf allen Ebenen zum Ausdruck. Sie dimmt ihre Aussagen dabei nicht auf das für empfindliche Polikerohren erträgliche Maß herunter, und schon gibt es einen Schuss vor den Bug, der die autoritäre und gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte paternalistische Denkweise deutscher Politiker in ihrer ganzen Dummheit und Arroganz offenbart.
Keine Gedenkfeierlichkeiten im bisherigen Ausmaß solle es mehr geben, teilten die genannten Hanauer Fraktionen in einer gemeinsamen Stellungnahme zur Rede von Emis Gürbüz mit. Die, so erklärt man sehr deutlich, kenne ihren Platz nicht. Und lässt eine Strafe für unbotmäßiges Verhalten auf dem Fuße folgen. Weil sie sich durch die Worte einer Trauernden beleidigt fühlen, finden sie, dass nun andere Saiten aufgezogen werden müssten. Und so äußern sie auch gleich ihr Befremden darüber, dass so eine Kritikerin zugleich die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Da schwingt kaum verhohlen die Empfehlung an die zuständigen Beamten mit, der Frau die Einbürgerung zu verweigern. Ausgerechnet die SPD-Fraktionschefin wünscht Gürbüz mit erhobenem Zeigefinger, »ihren Hass zu überwinden, um sich künftig respektvoll zu äußern«.
Jeder Satz dieses Schreibens ist eine Zumutung, selbst für Unbeteiligte. Was mag diese »Stellungnahme« dann erst bei Menschen auslösen, die bei dem Hanauer Massenmord ihren Sohn, ihre Tochter, ihre Freund*innen verloren oder ihn überlebt haben? Eigentlich bestätigt es vor allem: Emis Gürbüz und die anderen Angehörigen in der Initiative 19. Februar haben recht damit, dass sie nicht brav sind. Und immer wieder darauf hinweisen, dass der deutsche Staat auf keiner Ebene im notwendigen Maße Verantwortung für sein Versagen übernommen hat, das mit der Unterbesetzung eines Notrufs beginnt und mit der Vielzahl extrem rechter Polizisten im mit dem Einsatz an den Tatorten betrauten Sondereinsatzkommandos noch längst nicht endet.
Es ist gut, dass sich die Betroffenen von Bundespräsidentenauftritten und von Worten des Mitgefühls aus Regierungskreisen nicht geschmeichelt fühlen und auf deren Gefühle keine Rücksicht nehmen. Bleibt zu hoffen, dass Hanaus Oberbürgermeister bei seinen Aussagen bleibt, dass Betroffene auch das Recht haben müssen, etwas zu sagen, was andere verletze. Und dass er dem Vorstoß auch aus seiner Partei eine Absage erteilt.