In Jülich bei Aachen liegen seit Jahrzehnten 300 000 hochradioaktive Brennelementekugeln. Sie stammen aus einem Forschungsreaktor[1], der 1988 nach zahlreichen Störfällen abgeschaltet wurde. Die Jülicher Brennelementekügelchen sind verpackt in 152 Castor-Behälter, diese sollen weg aus Jülich. Die dortige Halle hat seit Jahren keine Genehmigung, ein Neubau ist teuer und umstritten. Günstiger soll ein Transport nach Ahaus ins dortige Zwischenlager[2] sein. Um die Transporte nach Ahaus gibt es seit geraumer Zeit Streit, im Dezember hatte das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht eine Klage gegen die Genehmigung abgewiesen.[3] Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hatte im Anschluss erklärt, bald über die Transportgenehmigung zu entscheiden.
Der Entwurf für eine Transportgenehmigung liegt nun laut Berichten des »Kölner Stadtanzeigers« beim von der Grünen-Politikerin Mona Neubaur geführten Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen. Bis Ende des Monats muss sich das Ministerium zu der Transportgenehmigung äußern. Sollte das Ministerium keine nennenswerten Änderungswünsche vorbringen, könnte die Genehmigung endgültig in etwa einem Monat erteilt werden. Da jeder Castor-Behälter einzeln transportiert werden soll, drohen Nordrhein-Westfalen 152 Castor-Transporte. Vor dem Szenario warnt unter anderem[4] die Gewerkschaft der Polizei (GdP). »Das mutet an wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Polizei – und das in der allgemein angespannten Sicherheitslage[5]«, mahnt Michael Mertens, Chef der GdP in NRW. Angeschlagene Brücken und marode Straßen seien ein Problem für den Transport. Da das Zwischenlager Ahaus nur noch über eine Genehmigung bis 2036 verfügt, stelle sich auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Transporte. »Sollten die gleichen Polizistinnen und Polizisten von heute in den zehn Jahren den Rücktransport der gleichen Brennstäbe nach Jülich begleiten müssen – das wäre aberwitzig«, meint der GdP-Vorsitzende.
Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland[6] gegen Atomanlagen ergänzt die Kritik der GDP um den Hinweis, dass die Castoren bei Beschädigungen zur Reparatur nach Jülich gebracht werden müssen. Außerdem erinnert er daran, dass die schwarz-grüne Koalition in NRW das Ziel hatte, Castor-Transporte zu vermeiden. »Wirtschaftsministerin Neubaur muss jetzt handeln, um das Castor-Chaos auf den NRW-Autobahnen zu verhindern«, so Eickhoffs Forderung.
Neubaur bekommt auch Druck von den Fraktionen der SPD und FDP im Landtag. Diese werfen ihr vor, bei einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses verschwiegen zu haben, dass die Stellungnahme des Ministeriums so kurzfristig erfolgen muss. Die FDP vermutet[7] wahltaktische Erwägungen bei Ministerin Neubaur. Es sei darum gegangen, »schlechte Schlagzeilen« vor der Bundestagswahl zu verhindern. Am Dienstag tagte der Wirtschaftsausschuss nichtöffentlich zu dem Thema.
André Stinka, energiepolitischer Sprecher der SPD, erklärte im Anschluss[8], die Transportgenehmigung sei »wohl nur noch Formsache«. Der Landesregierung wirft er vor, sich nicht genug für eine Verhinderung der Transporte eingesetzt zu haben. Er sei gespannt auf die Erklärungen der Landesregierung in der nächsten regulären und öffentlichen Sitzung des Ausschusses.