Der Rheinmetall-Konzern prüft die Umstellung ziviler Produktionsstandorte auf die Herstellung militärischer Komponenten. Wie der Konzern am Montag erklärte, könnten etwa in Berlin und Neuss Munition oder mechanische Komponenten für den militärischen Bedarf hergestellt werden. Die Werke gehören zur Sparte »Power Systems«, die Produkte in den Bereichen Luft- und Wärmebewirtschaftung, Elektromobilität und Wasserstofftechnologie umfasst.
Rheinmetall ist Deutschlands größter Rüstungsproduzent – die Auftragsbücher des Fabrikanten von Panzern, Artillerie und Munition sind voll, das Unternehmen stockt personell deutlich auf. Die Pläne, auch Standorte für die Militärproduktion umzuwandeln, hatte ein Sprecher dem »nd« bereits in der ersten Februarwoche bestätigt – eine antimilitaristische Gruppe hatte zuvor davon Wind bekommen. »Im Rüstungsgeschäft nutzen wir derzeit alle Möglichkeiten, um die Stückzahlen zu erhöhen, insbesondere im Munitionsbereich«, hieß es von dem Konzern zur Begründung.
Teilweise ist diese Umstellung bereits Realität. An einem zivilen Rheinmetall-Standort in Deutschland würden »seit einiger Zeit« Hülsen für Artilleriegranaten hergestellt, die dann von der Abteilung »Weapon and Ammunition« weiterverarbeitet werden, sagte der Unternehmenssprecher. In dem betreffenden Werk würden aber keine Explosivstoffe verarbeitet.
Eine endgültige Entscheidung, ob auch in Berlin und Neuss Munition hergestellt wird, sei aber noch nicht gefallen. Rheinmetall hat den Belegschaften nach eigenen Angaben ein Konzept vorgestellt, wonach die Werke in die Sparte für Waffen und Munition überführt und damit zu »Hybrid-Standorten« würden.
Mit der Umstellung will Rheinmetall offenbar den Rückgang der Produktivität in der Automobilindustrie kompensieren. Das zivile Geschäft fuhr im vergangenen Jahr einen leichten Umsatzrückgang ein, während die Militärsparte im gleichen Zeitraum ihren Umsatz um gut zwei Drittel auf 1,55 Milliarden Euro steigern konnte – vor allem wegen des Geschäfts im Ukraine-Krieg[1]. Insgesamt stieg der Umsatz im Konzern auf 6,2 Milliarden Euro. »Wir erleben ein Wachstum, wie wir es im Konzern noch nie hatten«, sagte Rheinmetall-Chef Armin Papperger der Nachrichtenagentur Reuters.
»Wir erleben ein Wachstum, wie wir es im Konzern noch nie hatten.«
Armin Papperger Rheinmetall-Chef
»Die Pläne für den Rheinmetall-Standort in unserer Nachbarschaft zeigen, dass mit der Produktion von Rüstungsgütern zurzeit ordendlich Kasse gemacht werden kann«, sagt Ruth Sperber vom Netzwerk »Hände weg vom Wedding« zu »nd«. Die zunehmende Normalisierung von Krieg und Aufrüstung gehe mit massiven Einschnitten der zivilen Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheit und der sozialer Sicherheit einher.
Trotz laufender Friedensgespräche zum Ukraine-Krieg blieben die Aktien von Rüstungsunternehmen zum Start der Handelswoche weiter stark nachgefragt, wobei Rheinmetall besonders deutliche Kursgewinne verzeichnete. Die zunehmende Distanzierung der neuen US-Regierung von europäischen Partnern sowie ihre verstärkten Forderungen an Nato-Mitgliedstaaten, ihre Verteidigungsbudgets zu erhöhen, weckt weitere Erwartungen. »Für unseren Konzern wird dies vermutlich bedeuten, dass wir unser Wachstum noch stärker vorantreiben müssen als ursprünglich angenommen«, erklärt Konzernchef Papperger.
Rheinmetall ist nicht der einzige Konzern, der zivile Produktionsstätten umstellt. Der deutsch-französische Panzerbauer KNDS übernahm kürzlich[2] das vor dem Aus stehende Werk des Bahntechnik-Konzerns Alstom in Görlitz. Rheinmetall hatte zudem bereits 100 Beschäftigten des defizitären Bremsenwerks von Continental in Gifhorn den Wechsel in eine Munitionsfabrik angeboten. Der Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt zeigt ebenfalls Interesse[3], Mitarbeiter von Continental und Bosch zu übernehmen, denen der Verlust des Arbeitsplatzes droht.
Mitte Februar hat Rheinmetall von der Bundeswehr einen weiteren Großauftrag erhalten, dabei ging es um die Digitalisierung und Vernetzung von Infanterie-Soldat*innen. Der Vertrag habe ein maximales Volumen von 3,1 Milliarden Euro und eine Laufzeit bis Ende 2030, teilte Rheinmetall in Düsseldorf mit. Bei diesen sogenannten Soldatensystemen handelt es sich um Ausrüstungen, die etwa einen Informationsaustausch mit Fahrzeugen ermöglichen. Denkbar sei auch, mit Sensoren in der Kleidung Körperfunktionen von Soldat*innen zu überwachen. Diese Woche stellt Rheinmetall dazu das System »Gladius 2.0« auf der Rüstungsmesse »Enforce Tac« in Nürnberg vor.